Mit vollen zwei Stunden Verspätung (durch die Bahn, wir konnten nichts dafür) kamen wir, eine zusammengewürfelte Gruppe von angehenden Biologen und Musikern, völlig übermüdet und entnervt in Österreichs Hauptstadt Wien an. „Nur noch schlafen!“, war der Gedanke vieler, da man schließlich fast 12 Stunden Zug gefahren war. Nach kurzem Fußmarsch erreichten wir dann auch unser Domizil für diese eine Woche.
Zwischen Westbahnhof und netten Damen in aufreizenden Outfits lag unser modernes, gut gepflegtes Hostel „Wombats“. Nach dem anstrengenden Fußweg mit Koffern und einigen Meinungsverschiedenheiten bei der Zimmerverteilung konnten nun endlich alle die Füße hochlegen und später noch die Umgebung erkunden. Nach der frustrierenden Erkenntnis, dass die umliegenden Supermärkte bereits um 19.30 Uhr geschlossen hatten, begaben wir uns in die Hostel-Bar. Neben einer Happy-Hour verfügte die Bar außerdem über einen Billard- und Kickertisch und eine große Terrasse, die den Aufenthalt im „Wombats“ sehr angenehm gestalteten.
Auch die Zimmer, die jeweils über ein eigenes Bad mit Dusche und Doppelstockbetten verfügten, waren sehr gemütlich und wer etwa zu Hause Kosmetikartikel vergessen hatte, konnte sich mit Tampons, Rasierern und Kondomen eindecken. An der 24 Stunden geöffneten Rezeption erhielt man zudem allerlei Informationen zur Umgebung, zu Ausflugsmöglichkeiten und kulturellen Highlights. So besuchten ebenfalls einige von uns den Prater, was sich bei dem schönen, sommerlichen Wetter, das wir fast die ganze Woche lang hatten, natürlich anbot. Die Gästeküche des Hostels lud neben dem akzeptablen Frühstück zum gemeinsamen Kochen und gemütlichen Abenden ein.
Von da an folgte eine Woche volles Programm quer durch Kultur, Musik und Naturwissenschaften. Schon früh und spätestens bei der Stadtführung (zu Fuß, wie es sich gehört) bemerkten wir eine Eigenart der Wiener: einen leicht morbiden Charakter. Der Humor beim Thema Tod scheint hier normal zu sein.
Komplett gegenteilig wirkte hier Wiens prunkvolle Architektur. Als Konglomerat vergangener Jahrhunderte erstrahlt Wien noch heute mit seinen Bauwerken im Glanz von Barock, Klassizismus, Jugendstil und anderer Stilepochen. Allen voran der Stephansdom, der uns durch ein Kursmitglied nähergebracht wurde.
Der Stadtführung folgte ein Besuch der Nationalbibliothek Wiens, deren innere Aufmachung dem äußeren Anblick in nichts nachstand: Tausende Bücher in hohen hölzernen Regalen, geschützt durch eine mit Fresken gestaltete Decke.
Doch getoppt wurde das Ganze noch durch das legendäre Schloss Schönbrunn mit seiner regelrecht gigantischen Gartenanlage.
Im Palmenhaus informierten wir uns über Pflanzenschädlingsbekämpfung und bewunderten Europas reichhaltigste Pflanzensammlung.
Anschließend besuchten einige Kursmitglieder das Sisi-Museum in der Hofburg, erlebten den Mythos der legendären Kaiserin und bekamen einen Einblick in ihre Lebensweise. Mit Audioguide und Fotoapparat wandelten wir auf den Spuren vergangener Zeiten.
Derweil besuchten die anderen das Technische Museum: Das „Technische Museum“ ist ein riesiges Gebäude im Wiener Westen, das sich durch seine moderne Bauweise stark von den bisherigen Prunkbauten unterscheidet. Allgemein gesagt stellt es die Anfänge aller Wissenschaften mit den dazugehörigen Weltbildern und Werkzeugen und deren Entwicklung bis zum heutigen Tag dar. Neben Prachtexemplaren von für die Menschheit wichtigen Erfindungen wie der Dampfmaschine, dem Telefon, dem Dynamo, dem Auto, dem PC und dem Herzschrittmacher finden sich immer wieder interaktive Ausstellungsgegenstände für den Besucher, welche Abwechslung und näheres Verständnis der doch manchmal fremd wirkenden Objekte bieten. Die Breite der Themenbereiche und deren Aufgliederung in diesem großen Gebäude, sowie die praktischen Möglichkeiten für den Besucher ließen keine Langweile zu, sodass schließlich einzelne Schüler über die Sprechanlage ausgerufen werden mussten.
Natürlich durfte auch die Sacher-Torte nicht fehlen. Im schicken Café ließen wir uns diese schokoladige Kalorienbombe mit Wiener Melange oder Kakao schmecken und genossen echte Wiener Kaffeehausatmosphäre.
Am Tag darauf taten wir wieder etwas für unser Biologie-Verständnis. Ein Besuch des Konrad-Lorenz-Instituts für Verhaltensforschung und des veterinärmedizinischen Instituts stellte unsere Standhaftigkeit auf die Probe. Fünf Stunden Führung zerrten trotz interessanten Inhalts an den Nerven aller Bio-LKler. Highlight war jedoch der Besuch des Hirschgeheges. Auf Tuchfühlung mit einem Hirsch zu sein machte diesen Tag zu etwas Besonderen.
Abends gab es dann im Kunsthistorischen Museum eine Führung durch die Bildergalerie, die dann einzelne Schüler noch privat ausweiteten.
Die Biologen hatten am nächsten Tag noch eine Führung in Naturhistorischen Museum, welches dem Kunsthistorischen genau gegenübersteht. Dort durfte der Bio-LK dann Charles Darwins Theorien und sein Leben nachvollziehen. Es folgte ein Blick hinter die Kulissen des Museums (Tausende Schädel samt Skeletten in hohen Regalen; O-Ton der Führung: „Wir sind der zweitgrößte Friedhof Wiens“) und ein unglaublicher Blick vom Dach aus rund 30 Metern Höhe über Wien.
Ein Besuch des Zentralfriedhofs und der Morgenarbeit der Lipizzaner in der Spanischen Hofreitschule Wiens rundeten die Kursfahrt ab und komplettierten die beeindruckenden Einblicke in die Wiener Kultur und Geschichte.
Gesättigt mit Wiener Köstlichkeiten und ziemlich fußlahm („Kann man seine Füße abnehmen und aufessen, damit es nicht mehr wehtut?“) traten wir die Heimreise ins beschauliche Bielefeld an.