Wie ein Theaterstück entsteht

Unterm BirnbaumDer Vorhang schließt sich zum letzten Mal – der Applaus des Publikums verhallt. Hinter der Bühne fallen sich die Schauspieler in die Arme: „Wir haben es wirklich geschafft!“ Groß ist die Begeisterung, war es ja auch teilweise ein harter Kampf, das Theaterstück „Unterm Birnbaum“ nach dem Roman von Theodor Fontane auf die Beine zu stellen.

Angefangen hatte alles vor gut anderthalb Jahren. Da hatte der damalige Deutsch- und Literaturlehrer Herr Niemann in der gesamten Schule Werbeplakate für eine neue Theater-AG „Mord“ ausgehängt. Vielversprechend klang der Name der AG und so trafen sich in der folgenden Woche ca. 15 interessierte Schülerinnen und Schüler am ausgemachten Treffpunkt.

Die Motivation war von Anfang an gut. In den nächsten wöchentlichen Theatertreffen wurde nach Improvisations-Einheiten zum Aufwärmen (typische Opfer- und Täter-Beziehungen wurden nachgestellt) Stück für Stück der von Herrn Niemann ausgesuchte Roman „Unterm Birnbaum“ von Theodor Fontane durchgearbeitet und ein Grundgerüst für ein späteres Drehbuch erstellt. Immer darauf bedacht, größtmögliche Spannung und gewisse Komikelement in der richtigen Waage zu halten. So gut wie anfangs die Drehbucharbeiten liefen, so schwer war es, die Rollen zu verteilen. Viele der Schülerinnen warben um die einzige weibliche Hauptrolle der Ursel Hradschek, für den männlichen Hauptdarsteller Herrn Abel Hradschek, dem mit Abstand der meiste Text zufallen würde, fand sich zunächst jedoch niemand.

Den größten Schlag erlitt die Theater-AG aber, als sie von dem plötzlichen Tod ihres Theaterlehrers Herrn Raul Niemann hörte. Weiterhin angesteckt von seiner engagierten Motivation, beschloss die nun noch aus 8 Teilnehmern bestehende Theater-AG das von Herrn Niemann so erfolgreich begonnene Projekt fertigzustellen. Mit dem damaligen Referendar Herrn Rohn begann sie nach einer kurzen Pause erneut, neue Szenen auszuarbeiten, und mit intensiveren Proben zu starten. Aber auch hier sollten die Schwierigkeiten nicht aufhören. Herrn Rohns Zeit als Referendar neigte sich dem Ende zu. Ein weiterer Lehrerwechsel und das Abspringen der gerade neu gefundenen Hauptrolle war die Folge. Und wieder hieß es: Mörder gesucht!

Unterm Birnbaum Diesmal war es die Deutsch- und Sowi-Referendarin Frau Maternus, die der mittlerweile eher pessimistisch eingestellten Theatertruppe neuen Aufschwung verlieh. Ein Aufführungstermin wurde zum Ansporn festgelegt, das Stück begann Gestalt anzunehmen und eine neue motivierte Person wurde für die Hauptrolle gefunden. Wöchentlich wurde nun die Geschichte des Herrn Abel Hradschek, eines verschuldeten Wirts, durchgeprobt. Durch Lotterieschulden und seine Vornehmheit liebende Ehefrau sieht er sich in den Ruin getrieben und ersinnt mit Hilfe einer alten Soldatenleiche, die er im Garten unter dem Birnbaum beim Kartoffelausgraben findet und als Alibileiche verwenden will, eine List, um den aus Polen eintreffenden Schuldeneintreiber Szulski aus dem Leben zu verbannen. Doch kein Mord bleibt unbestraft, wenn der Mörder neben einer alten, aber äußerst scharfsinnigen Nachbarin namens Mutter Jeschke wohnt. Durch ihre hinterhältig lauernde Art, schafft sie es mit Hilfe von Beobachtungen der anderen Dorfbewohner, den Mörder zu überführen, und stapft am Ende mit erhobenen Kopf und den Worten „Ick heb’s ja immer jewusst“ von der Bühne.

Durch die besonders vielfältigen Charaktere wurden schon die Proben zu unterhaltsamen Stunden – wenn auch zu nervenzehrenden, denn wer glaubt noch an ein glückliches Ende, wenn eine Woche vor der Premiere die Hälfte der Schauspieler ihren Text noch nicht kann!?

Doch die Premiere wurde nicht zuletzt durch den hervorragenden Vorfilm, der in schweißtreibender Arbeit mit Chinaböllern und Co draußen im Wald einen Monat vor Aufführungsbeginn gefilmt wurde, ein voller Erfolg.

Als die Uhr herunterzuticken beginnt, sitzen die Schauspieler schweißüberströmt bei 30° C Lufttemperatur hinter der Bühne: Puls 180. Die Musik des Vorfilms verklingt, die Scheinwerfer gehen an, der Ahorn alias Birnbaum erstrahlt im Licht – und dann wird gespielt und Unsicherheit überspielt.

Nach 75 Minuten ist alles vorüber … Dann heißt es feiern. Klar, mit Birnen und blutrotem Traubensaft …

Unterm Birnbaum