StartbildGenau dieser „produktiven Realitätsverarbeitung“, wie Professor Hurrelmann den Prozess im Jugendalter bezeichnet, sind Schülerinnen und Schüler des Pädagogikkurses nachgegangen, indem sie den renommierten Jugend- und Bildungsforscher Klaus Hurrelmann in ihren Unterricht eingeladen haben. Professor Hurrelmann folgte dieser Schüleranfrage gern an seinen ehemaligen Wohnort und stellte sich in einem Podiumsgespräch den Fragen und Überlegungen der Grundkursschülerinnen und -schüler.

Vor gut gefüllter Aula legte der emeritierte Professor, der mittlerweile an der Hertie School of Governance in Berlin als Jugendforscher tätig ist, seine bekannten Maxime zur Sozialisation im Jugendalter mit den sich daraus ergebenden Entwicklungsaufgaben frei vortragend und mit zahlreichen Beispielfällen gespickt anschaulich und lebendig dar. Die anwesenden Oberstufenschülerinnen und -schüler aus den Pädagogik- und Sozialwissenschaftskursen, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern werden besonders am Ende der Einführungsrede des Sozialforschers hellhörig, als er seine eigene Biografie in Zusammenhang mit seinem Lebensthema, dem produktiven Prozess der Gestaltung der Identität im Jugendalter, bringt: „Auch ich selbst musste eine jugendliche Entwicklungsaufgabe über den Umweg eines Risikoweges bewältigen. Dass ich dabei beinahe gestrauchelt bin, hat möglicherweise dazu beigetragen, diese zentrale Lebensphase wissenschaftlich zu reflektieren.“

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Anschließend nahmen die Moderatoren Nezir Hasani und Temir Ermak (Q1) sowie zehn Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit wahr, ihre Fragen, die sich aus der intensiven Auseinandersetzung des abiturrelevanten Themenbereichs „Sozialisation im Jugendalter“ ergeben hatten, an denjenigen zu richten, der in diesem Fachbereich zu den meistzitierten Wissenschaftlern Deutschlands zählt.

Wie macht sich das bemerkbar, wenn Jugendliche schöpferische Konstrukteure ihrer Persönlichkeit sind? Was bedeutet in diesem Zusammenhang, dass von der jungen Generation eine innovative Kraft ausgeht?

Sie gehen von einem „Spannungsverhältnis zwischen Integration und Individuation“ aus, was ist damit gemeint?

Inwieweit muss das Bildungssystem an die sich ändernde junge Generation angepasst werden?

Inwiefern spielen personale Ressourcen in den von großen Unterschieden geprägten sozialökonomischen Status überhaupt eine Rolle?

Dies waren nur einige der Fragen, zu denen der Fachmann um eine Stellungnahme gebeten wurde. Bei der Beantwortung hielt es den Sozialforscher nur kurze Zeit auf seinem Platz. Den Blickkontakt mit den Schülerinnen und Schülern suchend und mit unterstreichender Gestik und Mimik stellte er sich nach wenigen Minuten hin und ging auf jede einzelne Frage ein, indem er auf neueste Forschungsergebnisse verwies und Aspekte an für die Schülerinnen und Schüler gut verständlichen Beispielen ausführlich und wortgewandt erläuterte. Madita Lachetta, Schülerin der Q1, gefiel am besten, dass alle gesammelten Fragen direkt aus dem vorbereitenden Unterricht in Erziehungswissenschaft entstanden sind. „Einen Theoretiker direkt dazu befragen zu können, was man nicht verstanden hat. Wo hat man die Gelegenheit schon einmal?“

Aus allen Ausführungen Hurrelmanns geht hervor, dass der Wissenschaftler einen großen Respekt vor den Herausforderungen der Jugendphase hat und dass diese im Zuge von Digitalisierung und Globalisierung eher zugenommen haben. Ein Patent für eine gelingende Bewältigung der unterschiedlichen Entwicklungsaufgaben in der Jugend kann auch der renommierte Professor nicht bieten, verweist aber mehrfach auf die unverzichtbare Hilfestellung der sozialen Ressourcen der Heranwachsenden, wie Familie, Freunde und Erziehungsinstitutionen. Den richtigen Weg in unserer individualisierten Gesellschaft müsse jeder für sich selbst produktiv und konstruktiv finden. Entsprechend stolz ist die Pädagogiklehrerin und Mitinitiatorin Frau Assion auf ihren Kurs: „Ich habe lediglich den Ball aufgenommen, als diese spontan Idee aus dem Kurs kam, den Menschen hinter der Theorie einmal persönlich zu befragen. Das Projekt ‚Podiumsgespräch mit Herrn Hurrelmann‘ haben die Schülerinnen und Schüler dann im Grunde selbstständig geplant und umgesetzt.“ Auch Temir Ermak (Q1), Mitinitiator und Moderator des Podiumsgesprächs, freut sich über die gelungene Veranstaltung und die vielen positiven Rückmeldungen im Anschluss. „Ich bin total stolz, dass durch meine E-Mail an Herrn Hurrelmann so etwas Großes entstanden ist und viele Menschen aus dieser Veranstaltung etwas für ihr Leben mitnehmen konnten.“