Am Freitagabend machten sich zahlreiche Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Geschichte und des Grundkurses Evangelische Religionslehre mit ihrem Lehrer Thomas Beck auf den Weg zur Gedenkstätte Zellentrakt nach Herford, um die seltene Gelegenheit zu nutzen, mit der Holocaust-Überlebenden Rozette Kats über ihre Erinnerungen und Erfahrungen zu sprechen.
Im Rahmen einer Videokonferenz berichtete Rozette Kats über ihre Biographie, die sich erst im Laufe ihres Lebens wie ein Puzzle zusammenfügte. Rozette Kats wurde im Jahre 1942 im von deutschen Truppen besetzten Amsterdam als Kind einer jüdischen Familie geboren. Um ihr Kind vor der latenten Gefahr einer Deportation zu schützen, vertrauten ihre Eltern die kleine Rozette einer nichtjüdischen Familie an, die das Kind unter dem Namen Rita bei sich aufnahm. Kurze Zeit später wurden ihre leiblichen Eltern und ihr drei Monate alter Bruder in den Osten verschleppt, wo sie von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet wurden. Ein Onkel, der den Holocaust überlebte, deckte erst viele Jahre später in Abstimmung mit den Pflegeeltern die wahre Identität der nunmehr erwachsenen Frau Schritt für Schritt auf. Er holte ein Hochzeitsbild ihrer Eltern hervor, wodurch aus Rita langsam wieder Rozette wurde.
Während Frau Kats aus ihrem Leben berichtete, verfolgten die Schülerinnen und Schüler mit großem Interesse ihre Ausführungen. In der anschließenden Fragerunde nutzten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Fragen an Rozette Kats zu stellen. Sie wollten wissen, ob sie sich mit ihren Pflegeeltern noch habe aussprechen können und wie sie über die Gerichtsprozesse gegen NS-Verbrecher in der heutigen Zeit denke. Die Aussprache mit ihren Pflegeeltern habe stattgefunden, berichtete Frau Kats, und sie sei ihnen unendlich dankbar, dass sie ihr Leben riskiert hätten, um das kleine jüdische Mädchen zu retten. Die Prozesse gegen NS-Täter begrüße sie ausdrücklich, damit die Gräuel von damals auch weiterhin in das Bewusstsein der Menschen rückten und eine Mahnung für die Zukunft seien, was im Angesicht von fahnenschwenkenden Rechtsradikalen vor dem Reichstagsgebäude auch aktuell von zentraler Bedeutung sei.
„Es ist eine ganz besondere Erfahrung für junge Menschen, mit Überlebenden des Holocaust in das Gespräch über ihre Erinnerungen zu kommen. Diesen direkten und persönlichen Austausch kann man mit keinem Geschichtsbuch erzeugen. Die Notwendigkeit des Erinnerns an diese schreckliche Zeit ist Mahnung und Verpflichtung zugleich. Es ist wichtig, klare Zeichen für Menschenrechte in einer demokratischen Gesellschaft zu setzen. Die Erinnerung an den Holocaust mahnt zum Mut, Verantwortung zu übernehmen“, sagte Thomas Beck, Geschichts- und Religionslehrer der Schülergruppe.