Besuch Bielefelder Synagoge 01Am vergangenen Mittwoch, 22.02.2023, hatten die Schülerinnen und Schüler der Hebräischkurse von Herrn Fabritz die sicher einmalige Gelegenheit, die Tätigkeit eines Sofers, eines Spezialisten für das Schreiben der Schriftrollen der Tora und anderer religiöser Texte, kennenzulernen. Auf Einladung der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld war Bernard Benarroch, ein sehr erfahrener Sofer, extra aus London nach Ostwestfalen gekommen, um einige Reparaturarbeiten an einer älteren Schriftrolle vorzunehmen. Mehrere Tage war er mit dieser schwierigen Arbeit beschäftigt. Zum Abschluss seiner Tätigkeit stellte er an diesem Abend den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde und Gästen die besonderen Herausforderungen vor, die an einen Sofer gestellt werden.

Besuch Bielefelder Synagoge 02Die biblischen Texte werden mit einer Vogelfeder (Gänsekiel oder Truthahnfeder) geschrieben. Die Feder wird so angespitzt, dass man mit ihr schreiben kann. Die dazu benötigte Tinte muss schwarz sein. Ihre Herstellung ist nicht ganz einfach, denn die Zutaten sind sehr speziell. Meist erstellt der Sofer die richtige Mischung für diese Tinte selbst. Früher nahm man dazu reines Quellwasser, heute ist es meist destilliertes Wasser, Gallapfelsaft und weitere pflanzliche Produkte, die für die Färbung der Tinte geeignet sind. Das kann Granatapfelsaft sein oder auch der Saft von Schlehen oder zermahlene Eichenrinde. Zur Haltbarmachung der Tinte muss noch Vitriol hinzugefügt werden. So verblasst die Schrift im Laufe der Jahre nicht. Geschrieben wird nicht auf Papier, sondern auf Pergament, der sorgfältig präparierten Haut von koscheren Tieren wie Rind, Schaf oder Ziege. Der Text muss absolut fehlerfrei geschrieben werden.

Bevor der Sofer einen Buchstaben schreibt, muss er diesen erst laut aussprechen und erst dann diesen zu dem entsprechenden Wort hinzufügen. Er muss den gesamten Text ohne jegliche Änderung genau nach der Vorlage der Hebräischen Bibel abschreiben. Der Text darf auch nicht z. B. durch selbst gewählte Verzierungen verändert werden, da diese die eindeutige Lesbarkeit des heiligen Textes verändern könnten. Verschreibt sich der Sofer bei einem Buchstaben, so darf er das Wort nicht verbessern, der Text würde dadurch unrein, d. h., er ist nicht mehr für die Tora geeignet. Ein solcher Pergamentbogen wird nicht einfach vernichtet, sondern auf einem jüdischen Friedhof bestattet.

Das Schreiben der Texte der Tora dauert etwa ein Jahr und verlangt höchste Konzentration. Nur so gelingt es, die 304805 Buchstaben, 79976 Wörter und 5844 Verse fehlerfrei zu schreiben.

Alle Einzelheiten dieser verantwortungsvollen und höchst künstlerischen Arbeit des Schreibens der Tora erklärte Bernard Benarroch mit Begeisterung, aus der so viel Liebe zu seinem Beruf sprach, dass die Anwesenden seinen Ausführungen mit großer Aufmerksamkeit folgten.

Besuch Bielefelder Synagoge 03Zum Abschluss durften wir auch noch einen Blick auf die Texte der Tora werfen. Nur die Schrift anzuschauen – das war wie ein Blick auf ein Kunstwerk, das Hochachtung und Ehrfurcht vor dieser Handarbeit hervorrief und andächtig stimmte. Es wurde uns klar, dass das Schreiben der Texte der Tora etwas ganz Besonderes ist, nämlich ein sakraler Akt.