Ein besonderer Abend, der viele Fragen aufwirft: Was macht diese Nacht so besonders? Warum bleibt ein Stuhl leer? Warum soll man sich beim Essen zu Tisch bequem anlehnen? Wo ist das ungesäuerte Brot versteckt? Was haben die Speisen mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten zu tun und warum ist der jüngste Sohn an diesem Abend immer besonders aufgeregt?
Dem zentralen Hebräisch-Kurs wurden diese und weitere Fragen rund um das in Kürze stattfindende Pessachfest eindrücklich und anschaulich nahegebracht, von einem, der es wissen muss: Mischa.
Der achtzehnjährige Kursteilnehmer ist in Cincinnati (USA) als drittes Kind einer jüdischen Familie aufgewachsen und von klein auf mit der hebräischen Sprache und der jüdischen Kultur vertraut. Seine Heimatstadt hat eine Geschichte mit großer Einwanderung von Deutschen. So gibt es dort auch den Stadtteil Over-the-Rhine, da der Ohio River viele an den Rhein erinnerte. Nach dem Besuch einer Grundschule mit intensivem Deutschunterricht ging es für Mischa an einer staatlichen Highschool weiter, wo er auf das Parlamentarische Patenschafts-Programm aufmerksam wurde.
Mischa bemerkte früh, dass er sich in der hebräischen und deutschen Sprache zwar sicher fühlte, er aber noch mehr Sicherheit gewinnen wollte. Denn Englisch war zu seiner Hauptsprache geworden. Also nahm er sich vor, etwas für seine Deutschkenntnisse zu tun und bewarb sich erfolgreich um das Stipendium. Dass er bei einer Gastfamilie in Bielefeld und am Gymnasium am Waldhof landete, war eher zufällig.
Zielgerichtet war hingegen die Teilnahme am Hebräisch-Kurs am Ceciliengymnasium. Hier wollte er an seine hebräischen Muttersprache anknüpfen und seine kulturellen Wurzeln vertiefen. Dabei störte es den Schüler wenig, dass die zentrale Sprache des Kurses nicht das gesprochene Ivrit (Neuhebräisch), sondern das biblische Althebräisch ist. „Besonders interessant war für mich auch die Jiddisch-Einheit“, befindet Mischa rückblickend. Hier konnte er seine Deutschkenntnisse mit der hebräischen Schrift zusammenbringen. Er war erstaunt über die Vielfalt der jiddischen Kultur und hofft, dass diese reichhaltige „Geschichte nicht verloren geht“.
Und so erhielten die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer nun einen sehr authentischen Einblick durch Mischa, wie das Sedermahl für ihn in seiner amerikanischen Heimat immer etwas ganz Aufregendes war. Alles an diesem Abend hat eine Jahrhunderte alte Ordnung (= Seder). Jede Kleinigkeit ist mit Bedeutung aufgeladen und dient der Vergegenwärtigung und dem Eingedenken an die zurückliegende Geschichte von der Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten. Es werden ausgewählte Speisen gegessen, Texte gelesen und Lieder gesungen. Die ausdrückliche Bezugnahme auf die Kinder macht die Haggada (hebr.: Erzählung) besonders interessant. So erinnert sich Mischa als jüngstes männliches Familienmitglied sehr an seine besondere Aufgabe, am Sederabend im Kreis der Familie zu fragen: „Was unterscheidet diese Nacht von allen übrigen Nächten?“ So beginnt nämlich das didaktisierende Eingangslied. Es folgt dann die Erzählung von Pessach auf die aus Kindersicht formulierten Fragen:
„Einst waren wir Sklaven des Pharao in Ägypten, da führte uns HaSchem, unser Gott, von dort heraus mit starker Hand und ausgestrecktem Arme. Hätte der Heilige, gelobt sei Er, unsere Ahnen aus Ägypten nicht herausgeführt, wahrlich! wir, unsere Kinder und Kindes-Kinder wären noch Sklaven des Pharao. Darum müssen wir, auch wenn wir weise, verständig, erfahren und gelehrt waren, vom Auszuge aus Ägypten erzählen und wer am meisten davon erzählt, ist lobenswert. […]“
Und so ist zum Beispiel das Sich-Anlehnen ein bewusstes Einnehmen der Körperhaltung eines nicht versklavten Menschen. Nur Freie können sich entspannt anlehnen. Besonders beeindruckend war es für die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer, dass Mischa auf die Frage, ob er dieses Lied einmal ansingen könne, dem umgehend entsprach und das gesamte מה נשתנה (Was unterscheidet diese Nacht von allen übrigen Nächten?) a cappella sicher und klangvoll vortrug. Sicherlich hat dies auch mit seiner musischen Förderung in einer Musikerfamilie zu tun. Der Stipendiat spielt Klavier und hat eine langjährige Erfahrung als Sänger unterschiedlicher Chöre. Offensichtlich fühlt sich Mischa wohl – in Deutschland und im Hebräisch-Kurs unserer Oberstufe.
Es ist ein weiter Weg von Cincinnati zum Ceci und doch zeigt er auch, wie Sprache, Musik, Kultur und Religion Menschen zu allen Zeiten und Orten miteinander verbinden können. Wie schade, dass Mischas Stipendium zeitlich begrenzt ist. Wir wünschen ihm mit Psalm 1: