Synagoge

Synagoge

Am Abend des 6. September besuchten die Hebräisch-Kurse des Ceciliengymnasiums ein Konzert in der Bielefelder Synagoge Beit Tikwa, die erst im vergangenen Jahr nach dem Umbau der ehemaligen Paul-Gerhardt-Kirche an der Detmolder Straße ihre Pforten geöffnet hat.

Die Vortragenden waren an diesem Abend aus Berlin angereist: Der Kantor aus der Synagoge Pestalozzistraße, Isaac Scheffer, mit dem Synagogal Ensemble Berlin unter der Leitung von Organistin und Chorleiterin Regina Yantian.

Synagogal Ensemble Berlin

Synagogal Ensemble Berlin

Isaac Scheffer stammt aus Israel und begann seine Karriere als Geiger, bevor er in Israel und später in New York Gesang studierte. Dort arbeitete er schließlich erstmalig als Kantor. In Berlin ist er seit 1995 tätig, wo er die Nachfolge von Oberkantor Estrongo Nachama antrat.

Regina Yantian begann ihre musikalische Ausbildung bereits mit 15 Jahren und studierte nach dem Abitur in Heidelberg, Jerusalem und Berlin Vergleichende Musikwissenschaften und Judaistik. Zunächst sang sie selbst als Sopranistin im Chor der Synagoge Pestalozzistraße, bevor sie 1998 zu dessen Leiterin und Organistin ernannt wurde.

Das Konzertprogramm des Abends ist heute nur noch selten zu hören. Unter dem Titel „L’Dor Wa Dor“ (von Generation zu Generation) wurde europäische und amerikanische Synagogalmusik, u. a. von Max Janowski (1912-1991), Meir Finkelstein (*1951) und Eduard Birnbaum (1855-1920), vorgetragen. Sie entstand im 19. Jahrhundert, vor allem durch das Schaffen des als Reformator der jüdischen Liturgie bekannten Komponisten Louis Lewandowski (1821-1894). Ursprünglich war im Gottesdienst nur ein Kantor als Vermittler zwischen der Gemeinde und Gott eingesetzt worden, doch nun erklangen von der Orgel begleitete Wechselgesänge des Kantors mit einem Chor und machten den Gottesdienst auch musikalisch zu einem erhebenden Erlebnis.

Bis 1938 war diese Art der Musik weltweit und überkonfessionell bekannt und geschätzt, doch durch die Verfolgungen der NS-Zeit erfuhr die jüdische Musik starke Rückschläge, sodass nach Kriegsende die meisten Synagogen die ursprüngliche Gottesdienstform wählten. Einzig in der Synagoge Pestalozzistraße erklingen die Werke großer jüdischer Komponisten bis heute in jedem Gottesdienst am Freitagabend, Schabbatmorgen und an Feiertagen – und am 6. September eben auch in der Synagoge Beit Tikwa in Bielefeld.

Synagogal Ensemble BerlinDas Synagogal Ensemble besteht an diesem Abend aus acht Sängerinnen und Sängern, allesamt professionelle Solisten oder Mitglieder in Berliner Opernchören. Trotz seiner kleinen Größe beeindruckt der Chor durch überraschende Stimmgewalt, Augenblicke später wird der Zuhörer bewegt durch die leisen Töne eines anrührenden Stückes. Die vier Männerstimmen beweisen ihr Können in Lewandowskis „Sacharti Lach“, und es fällt schwer zu glauben, dass dort wirklich nur vier Menschen singen.

Auch Kantor Isaac Scheffer interpretiert mit seiner Stimme wunderbar sowohl den klagenden Charakter einer Gebetvertonung von Lewandowski als auch ein Kantorensolo im osteuropäischen Stil, „Schejbane Beit HaMikdasch“ von Mayer Schorr (1856-1913), bei dem das Publikum zum Mitklatschen aufgefordert wird.

Synagoge

Synagoge: Psalm 1 und Psalm 150In der neuen Synagoge findet der Zuhörer zudem die perfekte Umgebung für ein solches Konzert. Den hellen, modernen Gottesdienstraum zieren biblische Zitate an der Wand, und hinter dem Torahschrein kann der Betrachter sieben runde Fenster erkennen, die als abstrakte Kunstwerke von rechts nach links (also in hebräischer Leserichtung) die sieben Schöpfungstage darstellen. Auf dem Schrein befindet sich das ewige Licht, das in jeder Synagoge brennt, und darüber erstrahlt ein künstlicher Sternenhimmel.

Das gut besuchte Konzert hinterließ beim Publikum einen bleibenden Eindruck dessen, wie schön ein jüdischer Gottesdienst durch Musik bereichert werden kann – und wie Gemeindevorstand Irith Michelsohn in ihrer abschließenden Ansprache sagte: „Was auch immer versucht worden ist, es hat niemand geschafft, dass diese Musik untergeht.“

Wir dürfen uns freuen, dass sie überlebt hat: לדור ודור– L’Dor Wa Dor – Von Generation zu Generation.