Studienfahrt des Leistungskurses Musik

BösendorferAm 5. Oktober 2009 zu früher Stunde ging es los: von der Lutter an die Donau, von der ostwestfälischen Provinzhauptstadt in die Metropole der Musik, von Bielefeld nach Wien.

Die wegen zahlreicher Verspätungen langwierige und anstrengende Bahnfahrt nahmen wir in Kauf, da wir wussten, dass Wien mit seinen Opern-, Konzerthäusern, Jazzkellern und schließlich als historischer Anziehungspunkt zahlreicher Künstler und Komponisten wie Beethoven, Schubert und Schönberg uns einerseits viele interessante musikgeschichtliche Anknüpfungspunkte, andererseits aber auch eine Menge Spaß und Unterhaltung würde bieten können.

Außerdem konnten uns Probleme, die etwas mit Bahnfahren zu tun hatten, nichts anhaben, da unser prominentestes Kursmitglied auf diesem Gebiet zu Hause ist und sich auch über die gesamte Kursfahrt als souveräner Anführer durch den Dschungel der Wiener Straßen- und Untergrundbahnen erwies.

Am Montagabend kamen wir dann schließlich am Westbahnhof an und machten uns sogleich auf den Weg zum nahe gelegenen Wombat´s City Hostel, wo wir für die ganze Woche untergebracht waren. Das Hostel überzeugte zwar nicht durch seine in einem etwas zweifelhaften Milieu gelegene Lage, aber Frühstück und Zimmer waren in Ordnung und wer wollte, konnte sich abends während der „Happy-Hour“ den einen oder anderen Cocktail genehmigen. Schließlich aber waren wir nicht gekommen, um das Hostel, sondern um die Stadt zu erkunden, was dank des überraschend warmen und trockenen Wetters auch sehr gut möglich war.

Da die geplante Führung durch das Mozarthaus wegen unserer Verspätung ausfallen musste, gingen wir um 20 Uhr direkt ins Konzerthaus, um uns ein stimmungsvolles Weltmusik-Konzert anzuhören, welches allgemeine Begeisterung hervorrief. Die Mitglieder des Idan Raichel Project stammten aus verschiedensten Ländern und so wurde auch die Musik in verschiedenen Sprachen vorgetragen.

StephansdomAm Dienstag fuhren wir nach dem Frühstück schon um halb neun zum Stephansdom, der großen gotischen Kathedrale im Zentrum Wiens. Nach der äußeren und inneren Besichtigung des Bauwerks, dessen Bedeutung Gereon uns in seinem Referat veranschaulichte, folgte eine Stadtführung, die uns die Geschichte der Wiener Altstadt, der Hofburg und einiger anderer Sehenswürdigkeiten näherbrachte. Am ambitionierten Ziel, der Besteigung des 136,4 Meter hohen Südturms des Stephansdoms, fanden nicht alle Begeisterung und so war auch die Aussicht auf das Wiener Häusermeer, in dem sich übrigens kaum Grünflächen zeigten, nicht so spektakulär wie erwartet.

BibliothekNach der zur freien Verfügung stehenden Mittagspause trafen wir uns um 15 Uhr in der Hofburg, um eine Führung durch die dortige Nationalbibliothek über uns ergehen zu lassen. Die Wortwahl ist hier kein Zufall, denn der für die Führung verantwortliche Professor hatte offenbar nicht die Absicht seine Vorträge spannend, anschaulich oder wenigstens verständlich zu gestalten, im Gegenteil.

So fuhren wir, unberührt von der historischen Literatur des Abendlandes, aber froh über eine kleine Erholung vom anstrengenden Besichtigungsmarathon, zurück ins Hostel, um vor dem um 20 Uhr im Konzerthaus anstehenden „Jazz“-Konzert noch einmal die Füße hochzulegen.

Beim „Jazz“-Konzert handelte es sich um ein Projekt, welches Ausschnitte aus dem Stummfilm „Geheimnisse einer Seele“ (1926) von Georg Wilhelm Pabst zum Thema Freudsche Psychoanalyse mit moderner komponierter und improvisierter Musik kombinierte. Die Anführungsstriche sind hier bewusst gesetzt, da die Musik, die geboten wurde, weder an Jazz noch an irgendein anderes bekanntes Genre erinnerte und uns, die wir in froher Erwartung eines entspannenden Jazz-Abends standen, reichlich schockierte. Dank eines kühlen Getränks an der Bar des Hostels sollte dieser Schock aber nicht allzu lang andauern und schnell vergessen sein.

KlavierfabrikMittwoch fuhren wir morgens in die 50 km südlich von Wien gelegene Wiener Neustadt, um die dortige Klavier- und Flügelmanufaktur Bösendorfer zu besichtigen. Der Mitarbeiter, der die Führung übernahm, zeigte uns anschaulich den Produktionsweg eines Klaviers von der Wahl des Holzes bis zum Ausstimmen und erklärte uns jedes Detail, obgleich manchmal der österreichische Dialekt dem gemeinsamen Verständnis im Wege stand.

Zurück in Wien besuchten wir um 14 Uhr das Haus der Musik, welches durch eine Vielzahl von interaktiven Stationen mit Themen der Musik oder Akustik überzeugte. So konnte man z. B. ähnlich wie bei einem „Wii“-Spiel die Wiener Philharmoniker mit einem virtuellen Taktstock dirigieren oder Erfahrungen über die Grenze des menschlichen Hörbereichs sammeln. Die aus meiner Sicht gelungene Einflechtung interaktiver Elemente in sonst für manche vielleicht langweilige Museumsinhalte machte den Rundgang durch das Haus der Musik um einiges abwechslungsreicher.

Am (späten [späten]) Abend dann gaben sich einige von uns der allgemeinen Völkerverständigung hin und suchten das Gespräch mit den auch im Hostel wohnenden Amerikanern und Australiern. Die interessanten Unterhaltungen fanden aber wohl ab einer gewissen Uhrzeit auf zu angeregte Art und Weise statt, weshalb uns Bewohner der zweiten Etage mit gezielt geworfenen Bananen zu verstehen gaben, dass Schlafen jetzt eine gute Idee sei, die wir zuvorkommend in die Tat umsetzten.

Am Donnerstag war dann der Tag der Referate gekommen. Im Vorfeld hatte sich jeder mit einer historisch wichtigen Wiener Persönlichkeit auseinandergesetzt und einen kurzen Vortrag vorbereitet. Wir wollten uns diese aber nicht stumpf einfach irgendwo anhören, weshalb wir zu jedem Referat einen Ort in Wien aufsuchten, der mit der jeweiligen Person verbunden wird.

So besuchten wir frühere Wohnungen Gustav Mahlers und Sigmund Freuds und hörten ein Referat zum Wiener Jugendstil vor der Postsparkasse.

Karl-Borromäus-KircheAuf dem großen Zentralfriedhof suchten und fanden wir dann die Gräber bzw. Gedenkstätten bedeutender Komponisten, wie Beethoven, Mozart, Brahms oder Schubert, und hörten weitere Vorträge. Den Abschluss machte Florian mit seiner Ergänzung zum Jugendstil, die sich vor allem auf die Friedhofskirche des Zentralfriedhofs, die Karl-Borromäus-Kirche, bezog, welche wir daraufhin besichtigten. Die Karl-Borromäus-Kirche ist ein wuchtiger, quadratischer Bau mit einer großen Kuppel und wirkt salopp gesagt schon recht protzig. Auch im Innern erwartet den Besucher ein ungewohnt hoher, reich mit Bildern, Gold und Pflanzen geschmückter Raum. Die ebenfalls sehr hoch liegende Empore und der Keller sind dort über einen Aufzug zu erreichen. Anblick und Akustik des Raums machten einen faszinierenden Eindruck, sodass wir länger als geplant dort blieben und sich manche zu gregorianisch anmutenden Gesängen hinreißen ließen…

Nachdem wir das riesige Gelände des Friedhofs wieder verlassen hatten, trafen wir uns mit dem Bio-Kurs, der grade die Besichtigung des Hundertwasser-Hauses hinter sich hatte, welche für uns leider ausfallen musste. Der nächste Programmpunkt, der Besuch des Kunsthistorischen Museums mit beiden Kursen, wartete nämlich schon. Dort machten wir eine Führung mit, bei der uns ausgewählte Werke vorgestellt und ihre Bedeutungen erläutert wurden. Nach diesem etwa dreiviertelstündigen Einblick in die Kunstgeschichte war das ergiebige Programm des Tages abgeschlossen und es ging für die meisten zurück in unser fragwürdiges Eckchen Wien-Westbahnhof. Trotz der Anstrengung des langen Tages ließen es sich viele später nicht nehmen, noch eine Wiener Disco aufzusuchen und/oder nächtliche Spaziergänge zu unternehmen.

Den nächsten Morgen erlebten alle mehr oder weniger munter. Nach einem ausgiebigen Frühstück war für einige Musik-LKler der Besuch des Internationalen Filmmusik Symposiums geplant, das in der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien stattfand. Vormittags sollten Podiumsdiskussionen mit Komponisten, Regisseure und Produzenten aus aller Welt stattfinden, für den Nachmittag und Abend standen Vorträge und Workshops auf dem Programm.

Unsere großen Erwartungen an das attraktiv scheinende Programm wurden jedoch enttäuscht. Hölzern führten selbstdarstellerische Moderatorinnen durch nichtssagende, höchstens selbstbeweihräuchernde Diskussionen, die für uns alles in allem uninteressant waren. Nachdem wir die letzten Diskussionen mittags geschwänzt hatten, lag unsere Hoffnung also auf den nachmittäglichen Vorträgen und Workshops und auch ausgewählte Beiträge von Studenten der Universität interessierten uns. Doch auch hier wurden wir mehr oder weniger enttäuscht. Die Vorträge standen den Diskussionen in nichts nach, wenn es um Eigenlob und Botschaftsleere ging, von internationalen Größen hatten wir uns mehr erhofft. Einzig und allein der Erfahrungsbericht eines Profi-Violinisten, der schon für einige Filmmusikkomponisten gespielt hat, war einigermaßen spannend.

Der abendliche Workshop über das Sequenzer-Programm Cubase war dann auch nur ein oberflächlicher Vortrag und vor allem Selbstdarstellung eines Komponisten, der mit dem Programm arbeitet. Ehre gemacht wurde nur der ursprünglichen Bedeutung des griechischen Wortes „Symposion“: gemeinsames, geselliges Trinken. Die Veranstaltung erschien tatsächlich eher wie ein gemütlicher Kaffeeklatsch internationaler und österreichischer Größen und Nicht-Größen, nicht um informativ zu sein, sondern um sich lieb zu haben. Enttäuscht fuhren wir zurück ins Hostel. Der Restabend lag noch vor uns und so feierten wir, Bio- und Musik-LK zusammen, den Abschlussabend unserer gemeinsamen Kursfahrt.

Am Mittag des folgenden Tages war es dann so weit und wir mussten unser Hostel verlassen und die Zugfahrt gen Bielefeld antreten, die ohne unseren personifizierten Fahr- und Streckenplan wiederum dem Tohuwabohu nahe gewesen wäre. Erschöpft, völlig pleite, aber zufrieden ließen wir auch die letzten ICE-Verspätungen noch über uns ergehen, bevor es dann für alle in die Ferien ging.