Ein Schuljahr in England

Die RMS-GrundschuleIn meinem letzten Schuljahr am Ceci stellte sich natürlich auch mir die Frage, was danach kommen sollte. Ich entschied mich schließlich dafür, mich bei der Austauschorganisation Lattitude für ein Auslandsjahr an einem englischen Internat zu bewerben, um einerseits mein Englisch zu verbessern und andererseits ein Jahr mehr Zeit vor der Entscheidung für einen Beruf oder Studiengang zu gewinnen.

Bibliothek und SchulgebäudeNach einer online-Bewerbung, einem Telefoninterview und einigen Monaten des Wartens vermittelte mich Lattitude an die The Royal Masonic School for Girls (RMS) in Rickmansworth, Hertfordshire, ganz in der Nähe von London. Ab dann begannen die Vorbereitungen: Papierkram, Einkaufen und das Schwierigste: alles in zwei Koffer packen!

Ausblick aufs SchulgeländeAnfang September war es dann soweit und ich flog nach England. Am Flughafen wurden die neuen GAP assistants, wie wir ab jetzt heißen, von Lattitude abgeholt und zur Universität in Reading gebracht, wo ein eintägiges Einführungsseminar stattfand, in dem wir einige hilfreiche Informationen zu unserem nächsten Jahr bekamen und außerdem die Gelegenheit hatten, andere GAPper aus aller Welt kennen zu lernen. Ich traf dort unter Anderem die drei Mädchen, die mit mir an die RMS kamen – eine Kanadierin, eine Chinesin und eine Ecuadorianerin. Gemeinsam wurden wir am nächsten Tag von einem Angestellten der Schule abgeholt und nach 35 nervösen Minuten im Auto kamen wir auf dem beeindruckenden Schulgelände an.

Mit Freundinnen an der Tube-Station (rechts ich)Unsere Ansprechpartnerin hier, Miss Batty, hieß uns willkommen und zeigte uns die Schule. Jede von uns hat eine eigene kleine Wohnung in einem der Wohnhäuser der Internatsschülerinnen. Zu unserer Freude trafen wir auch vier weitere GAP girls, die schon im Januar aus Neuseeland und Australien gekommen waren und uns viele Tipps für das Leben hier geben konnten.

Da wir in der letzten Ferienwoche angekommen waren, war die Schule noch ziemlich leer, und wir bereiteten die Wohnhäuser für die Ankunft der Mädchen vor – das bedeutete zum Beispiel, Betten zu beziehen (man bedenke, dass in den Häusern 30-45 Kinder wohnen…), Handtücher zu falten und Schilder zu drucken.

Harris House, mein WohnhausAls dann am Sonntag die Kinder ankamen und die Namen auf den Listen, die man geschrieben hatte, alle Gesichter bekamen, war das sehr aufregend! In meinem Haus wohnen hauptsächlich Siebt- und Achtklässlerinnen, und zu meinen Aufgaben gehört es, sie ins Bett zu bringen und zu wecken und ihre Wäsche einzusammeln und in die Wäscherei zu schicken. Einen Schlafsaal von zehn elfjährigen Mädchen zum Schlafen zu bringen, ist eine ganz schöne Herausforderung, und sie morgens um 06:50 wieder aus den Betten zu bekommen ebenso.

Madame Tussaud'sEin sehr schöner Job ist das Begleiten von Wochenendausflügen. So war ich beispielsweise schon auf Schulkosten im Vergnügungspark, im Kino, bei Madame Tussaud’s und im Musical Wicked.

Neben der Arbeit im Wohnhaus helfe ich auch in der Schule, wo ich für die Lehrer kopiere, laminiere und Listen schreibe oder für den Hauswirtschaftsunterricht Zutaten vorbereite.

Unterricht in Klasse 3Außerdem arbeite ich in der Grundschule. Dort wiederhole ich zum Beispiel mit kleinen Gruppen Französisch oder übe Vorlesen. Dienstags nach dem Unterricht mache ich einen Deutschklub für Fünft- und Sechstklässlerinnen, die bisher schon bis 12 zählen und sich vorstellen können. Als wir über deutsche Feiertage sprachen, waren sie einstimmig der Meinung, Nikolaus sollte man in England auch einführen.

Rickmansworth High StreetPro Woche habe ich zwei Tage frei, an denen ich mit den anderen GAPperinnen ins Dorf gehen oder – innerhalb von 30 Minuten – nach London fahren kann. Auch die Schule selbst ist ein sehr schönes altes Gebäude mit eigenem Schwimmbad, Kapelle, großem, Harry-Potter-ähnlichem Speisesaal, weitläufigen Sportanlagen und viel Rasen darum herum. Die Lage nah bei London ist ideal für Ausflüge in die Hauptstadt und stellt einen sehr guten Ausgangspunkt für weitere Reisen dar, denn von London aus kommt man natürlich fast überall hin.

Royale Begegnung – Madame Tussaud's macht's möglich!Ich denke, ich habe mit dieser Stelle großes Glück gehabt, denn die Menschen hier sind alle sehr freundlich und hilfsbereit bei Sprach-, Orientierungs- und anderen Problemen. Dadurch, dass wir acht Mädels in der gleichen Situation sind, konnte man schnell Freundinnen finden, die die eigenen Sorgen oder das Heimweh teilen. Verwirrend waren anfangs die vielen verschiedenen Akzente, denn sowohl die Schülerinnen als auch die Angestellten hier sind international, sodass ich nicht glaube, dass ich am Ende selbst mit einem englischen Akzent wieder kommen werde.

Ich bin jetzt zwar erst gut zwei Monate hier und habe noch mehr als acht Monate vor mir, aber ich habe mich inzwischen gut eingelebt und kann ein Auslandsjahr nur empfehlen. Selbst wenn die Arbeit kein Traumberuf ist und man von Zeit zu Zeit Heimweh hat, macht man einzigartige Erfahrungen und lernt viele interessante Menschen kennen. Man lernt, neue Aufgaben anzunehmen, seine Angelegenheiten selbständiger zu regeln und sich in einer anderen Gesellschaft und Umgebung zurechtzufinden – nicht zuletzt in einer fremden Sprache. Außerdem habe ich, wenn ich zurückkomme, Übernachtungsmöglichkeiten auf der anderen Seite der Erde – für einen Flug nach Kanada werde ich auf jeden Fall sparen!