Bericht über die Reise nach Israel vom 22. April bis 4. Mai 2019

Naha 2019 01Montag, 22. April 2019

Am Vormittag startete unsere Reise von Bielefeld. Wir fuhren mit dem Zug über Düsseldorf zum Frankfurter Flughafen und flogen viereinhalb Stunden nach Tel Aviv. Dort wurden wir von unseren israelischen Freunden abgeholt und erhielten von ihnen ein schönes Freundschafts-T-Shirt. Gegen 23.00 Uhr erreichten wir Nahariya.

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Dienstag, 23. April 2019

Morgens trafen wir uns am Bahnhof in Nahariya, um mit dem Zug – einem uns aus Deutschland bekannten Modell eines typischen Nahverkehrszugs – nach Akko zu fahren. Dort besichtigten wir die imposante Kreuzfahrerstadt, die stimmungsvoll illuminiert war. Dank eines Audio-Guides erfuhren wir vieles über die Kreuzfahrerzeit und die strategische Bedeutung der Küstenstadt Akko. Den Abend verbrachten wir in den Familien.

Mittwoch, 24. April 2019

Gemeinsam mit den israelischen Schülern fuhren wir nach Tel Aviv, der schönen und quirligen Metropole Israels, die wir bei herrlichem Sonnenschein erkundeten. Unter anderem besichtigten wir den Nahalat Binyamin Markt sowie die Altstadt Jaffa mit ihren Märkten und ihrem fantastischen Aussichtspunkt mit weitem Blick über die Stadt und das Mittelmeer.

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Donnerstag, 25. April 2019

Ein Tagesausflug führte uns zum See Genezareth (hebr. „Kinneret“) und zu den Golanhöhen. Das ruhige Wasser des Kinneret konnten wir bei einer Bootstour genießen. Anschließend fuhren wir an Kapernaum, der Brotvermehrungskirche in Tabgha und dem Berg der Seligpreisungen vorbei und erreichten eine weit oberhalb des Sees gelegene Anhöhe. Bei einem ausgiebigen Picknick genossen wir die spektakuläre Aussicht auf die umliegenden Berge der Golan-Höhen und auf den Kinneret. Leider gesellte sich aber auch eine sehr große Zahl fliegende Käfer zu unserem Mahl, die sich nur sehr ungern vertreiben ließen…
Nach der Weiterfahrt über die weiten Golanhöhen erreichten wir einen fantastischen Aussichtspunkt, den Mount Bental. Von hier blickt man weit ins Tal nach Kuneitra in Syrien. Damaskus, wo Krieg herrscht, liegt von hier nur 40 Kilometer entfernt. Uns wurde bewusst, dass wir hier nur wenige Kilometer von einem großen Krisengebiet der Welt entfernt sind. Gerade hier die Schönheit und die Ruhe der Landschaft genießen zu können mit dem Wissen, dass in geringer Entfernung Angst und Verzweiflung herrschen, war für alle ein unlösbarer Widerspruch.

Freitag/Sonnabend, 26. und 27. April 2019

Diese Tage wurden von jedem unterschiedlich gestaltet. Einige genossen es, die Zeit am Strand von Nahariya mit ihren Freunden zu verbringen, andere fuhren nach Rosh Hanikra, der wunderschönen Felsformation an der Grenze zum Libanon oder besuchten Verwandtschaft ihrer Gastfamilie.
Am Sonnabendabend wurde das Mimuna-Fest gefeiert, das marrokanische Fest am Ende der Pessach-Festtage. Die gesamte Austauschgruppe war bei einer israelischen Gastschülerin eingeladen, deren Familie eine Fülle leckerer Süßigkeiten, wie z. B. Pralinen, Kuchen, Zuckergebäck oder karamellisierte Tomaten und Pflaumen für uns vorbereitet hatte. Auch der Bürgermeister Nahariyas, Ronen Marelli, und der Schulleiter der Amal-Schule, Herr Igal Goshen, waren eigens gekommen.

Sonntag, 28. April 2019

Am Sonntag begannen wir unsere kleine Reise, die uns nach Jerusalem führte. Zunächst fuhren wir zur Gedenkstätte Yad Vashem. Ein Guide erläuterte uns die Konzeption des Ortes, begleitete uns durch die eindrucksvolle Ausstellung im Hauptgebäude und führte uns zur einzigartigen Kindergedenkstätte. Beim Gang durch die Gedenkstätte hört man im Hintergrund die Namen, das Alter und die Herkunftsländer der ermordeten Kinder und mittels Spiegel wird das Licht von fünf Kerzen tausendfach wie Sterne reflektiert. Dies wird uns allen unvergesslich bleiben.
Unser Guide vermochte uns immer wieder zum Mit- und Nachdenken anzuregen, z. B. darüber, welche Gefühle die Ausstellung bei uns auslöst, welche Träume wir haben und wie weit wir dafür eintreten würden.
Im Anschluss gingen wir zum Herzlberg und suchten dort die Gräber wichtiger politischer Führer des Landes auf, z. B. die von Golda Meir, Yitzhak Rabin und Shimon Peres, sowie diejenigen bedeutender Zionisten, z. B. von Theodor Herzl und seiner Familie. Im Herzl-Museum lernten wir mittels der sehr ansprechend gestalteten multimedialen Vorführung viel über Thodor Herzl, sein Leben und seine Visionen.

Montag, 29. April 2019

Naha 2019 07Mit unserem netten Guide Ben, der uns die nächsten beiden Tage begleiten sollte, fuhren wir zunächst zu einer vor den Toren Jerusalems gelegenen Anhöhe. Dort blickt man herrlich über die Stadt. Ben erklärte uns die Bedeutung Jerusalems als Zentrum der drei Weltreligionen und wesentliche Gebäude.
Die Altstadt von Jerusalem betraten wir durch das Jaffa-Tor. Nachdem wir die trubelige Altstadt durchquert hatten, besichtigten wir die Western Wall Tunnels. Unser hervorragender Guide vermochte es, uns fachkundig die Geschichte und den Aufbau der gesamten Anlage zu erläutern.
Danach hatten wir die Möglichkeit, das Geschehen an der Western Wall zu beobachten, was für alle sehr neu war und weitere Fragen zum Judentum aufkommen ließ, die unser Guide Ben später beantworten konnte. Einige nutzen die Zeit, um in eine Nische der Western Wall ein Zettelchen mit einem privaten Gebet oder einem Wunsch zu stecken.
Am frühen Nachmittag erreichten wir den traditionsreichen Machane-Yehuda-Markt, um hier Israel mit allen fünf Sinnen zu erleben.
Um unsere Unterkunft Kfar Hanokdim zu erreichen, fuhren wir dann in Richtung des Toten Meeres. Schnell verändert sich die Landschaft aufgrund des großen Höhenunterschiedes von fast 1000 Metern. Schnell gelangt man in eine Wüstenlandschaft bestehend aus einer kargen Hügellandschaft und schroffen Felsformationen.
Kfar Hanokdim wurde von Beduinen in der Judäischen Wüste errichtet. Dort trugen uns zunächst Kamele durch die Wüste.

Naha 2019 08Danach hatten wir Gelegenheit, mit einer Beduinin ein langes Gespräch zu führen. Dies war sehr interessant für uns, denn unser Guide, eine moderne beduinische Frau, sprach von ihrer Emanzipation von der traditionellen Welt der Beduinen.

Naha 2019 09Während in früherer Zeit die beduinischen Frauen kaum Rechte hatten und nur für die Familie zuständig waren, vertritt sie einen neuen Typ Frau: Sie hat sich von ihrem Mann getrennt, der in Einklang mit der Tradition in Vielehe lebt, spricht sehr gut Englisch, hat einen Führerschein und schreibt Bücher über ihr modernes Selbstverständnis innerhalb einer doch noch sehr traditionell geprägten beduinischen Gesellschaft. Die deutschen Jugendliche hatten zudem etliche Fragen vorbereitet, die unsere Guide gut beantworten konnte, wie z. B. zur Bedeutung der Beduinen für das israelische Militär, zur Zukunftsgestaltung der jungen Generation oder zu geplanten Umsiedlungsplänen der israelischen Regierung.

Dienstag, 30. April 2019

Dieser Tag startete um 5 Uhr morgens mit Keksen und warmen Tee, um rechtzeitig für den Sonnenaufgang in Masada zu sein. Masada ist eine ehemalige jüdische Festung, die im Auftrag von König Herodes erbaut wurde und deren bewegende Geschichte unsere Guide Ben uns sehr gut erzählen konnte. Das Erlebnis des schönen Sonnenaufgangs über dem Toten Meer war einzigartig!
Über den Schlangenpfad stiegen wir später von Masada hinab ins Tal und fuhren nach einem ausgiebigen Picknick zum Toten Meer. Auf dem Weg zu unserer geplanten Badestelle fuhren wir am Ufer des Sees entlang und sahen mit Erschrecken die vielen Sinkholes als Folge des stetig sinkenden Wasserspiegels.
Und dennoch waren wir sehr froh, als wir endlich im stillen und türkisblauen Wasser baden konnten. Welch ein Erlebnis für Herz und Sinne!

Mittwoch, 1. Mai 2019

Am Vormittag unterrichten die deutschen Schüler israelische Schulklassen in der Amal-School. Sie hatten Präsentationen über Deutschland sowie verschiedene Spiele vorbereitet, die sie mit großem Vergnügen und Begeisterung zeigten. Dabei wurde deutlich, wie wichtig es ist, an einem Austausch teilzunehmen, um wirklich mit den Menschen Erfahrungen auszutauschen sowie interkulturelle Kompetenzen zu erwerben.
Im Rathaus von Nahariya wurde die Gruppe mittags vom neuen Bürgermeister Nahariyas, Herrn Ronen Marelli, empfangen. Er erläuterte den Gästen, vor welchen Herausforderungen Nahariya heute stehe und welche politischen Entscheidungen er treffen möchte. Er sei sicher, dass die Einwohnerzahl von Nahariya in Zukunft sehr stark wachsen werde. Daher müssten dringend bessere wirtschaftliche Anreize zur Ansiedelung von Unternehmen in Nahariya geschaffen werden, um besonders der jungen Generation mehr Arbeitsplätze zu bieten.
Am Abend nahm die Gruppe an der schulischen Gedenkfeier zum Yom Hashoa, dem Holocaust-Gedenktag, teil. Während der Gedenkfeier wurden Reden gehalten, es wurde gesungen, Texte wurden inszeniert und israelische Schülerinnen tanzten ausdrucksstark. Am Ende wurde die Hatikva, die israelische Nationalhymne, gemeinsam gesungen. Auch, wenn wir nicht alles verstehen konnten, haben wir alle diese Gedenkstunde sehr intensiv mitempfunden.

Donnerstag, 2. Mai 2019

Am Morgen fand unser gemeinsamer Debattierworkshop in der Schule statt, der von dem Politiklehrer der Amal-Schule, Herrn Giora Rana, auf äußerst motivierende Art geleitet wurde. Zunächst erläuterte er mit einem Powerpoint-Vortrag den Aufbau seines Workshops: Man werde zunächst erarbeiten, was man unter Debattieren verstehe, welche Strukturen zu beachten und welche Regeln zu befolgen seien. Im Anschluss werde dann eine praktische Übung mit den Jugendlichen durchgeführt.

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Alle seine Ausführungen waren äußerst überzeugend und die Jugendlichen arbeiteten sehr rege mit. Auch die von ihm ausgewählten Diskussionsthemen, wie z. B. „Woman should be allowed to fight on the front lines alongside men“ oder „Poverty can be abolished by educational tools“ waren sehr motivierend und führten zu einem regen Gedankenaustausch zwischen den deutschen und den israelischen Austauschpartnern. Die Schülerinnen und Schüler entwickelten Pro- und Kontra-Argumente und führten anschließend eine Debatte, deren Verlauf Herr Rana kommentierte. Er gab ihnen zahlreiche gute Hinweise, die zum Gelingen einer Debatte unerlässlich sind, wie z. B. ein sicheres Auftreten, ein guter Blickkontakt, ein langsames, deutliches und bestimmtes Sprechtempo, eine angemessene Wortwahl – um nur einige wenige Punkte zu nennen. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops haben in dieser Zeit sehr viel gelernt.
Um zehn Uhr ertönte zum Gedenktag für die Märtyrer und Helden des Holocaust (hebr. „Yom Hashoah“) die Sirene zwei Minuten lang, um den Opfern des Holocaust Respekt zu zollen. Alle standen auf, schwiegen gemeinsam und erlebten dies in konzentrierter Stille. Dieser Moment wird uns immer in Erinnerung bleiben.
Etwas später hatten wir die Gelegenheit mit dem Austauschteilnehmer Dilan Miron zu sprechen, der im vergangenen Jahr an der Friedensinitiative „Seeds for Peace“ teilgenommen hatte. Er berichtete vom Verlauf des strengen Auswahlverfahrens und von seinen Erfahrungen während seines dreiwöchigen Sommercamps in Kanada. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer stammen aus Konfliktgebieten, wie z. B. Israel, Palästina, Syrien, Jordanien oder Indien. Ziel ist es, sich kennenzulernen, in einen Dialog zu treten, aktuelle Probleme zu diskutieren und so zu Friedensbotschaftern ausgebildet zu werden. Diese haben die Aufgabe, in ihrem eigenen Land Multiplikatoren für den Friedensprozess zu sein. Dilan berichtete, dass dieses Camp ihn persönlich sehr beeinflusst habe, da er gelernt habe, mit noch größerer Offenheit auf Menschen zuzugehen und Diskussionen mit Andersdenkenden nicht auszuweichen, sondern – im Gegenteil – diese zu suchen. Dies sei für ihn nicht immer einfach, oftmals treffe er auf Widerstände, aber für ihn sei es „a good effort“ und „the right way“.
Im Anschluss stellten die deutschen Austauschteilnehmerinnen und -teilnehmer ihm noch etliche Fragen, die er gut und diplomatisch zu beantworten wusste. Die deutschen Schülerinnen und Schüler berichteten ebenfalls, inwiefern sie selbst politisch engagiert sind. So berichtete z. B. ein Schüler von seinem außerordentlichen Engagement für die Bewegung „Fridays for Future“. Andere stellten dar, wie man sich aktiv für den Frieden einsetzen könnte, und erläuterten, welche internationalen Initiativen ihnen bereits bekannt seien, wie z. B. das musikalische Engagement von David Broza oder Idan Raichel oder die Arbeit der palästinensischen Friedenspädagogin Frau Sumaya Farhat-Naser.

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 Am frühen Nachmittag fuhr die Gruppe nach Daliat El Carmel, einem sehr bekannten Drusendorf, wo ein weiterer Höhepunkt der Begegnung mit den Menschen Israels stattfand. Ein drusischer Guide zeigte uns ihr Dorf, ihre Kultur und ihre Traditionen. Anhand einer Fülle erlebnispädagogischer Elemente erwarben wir viele Kenntnisse über die Drusen und ihre gesellschaftliche Rolle in Israel. Wir wurden intensiv in das Programm eingebunden, indem wir z. B. jemanden aus dem Dorf ansprechen mussten, der seinen Namen arabisch schrieb, indem wir lernten, einen Mini-Dialog auf Arabisch zu führen, indem wir traditionelle drusische Kleidung anzogen und so u. a. über ihre Traditionen lernten, indem wir drusische Speisen aßen, ein typisches Wohnhaus und einen Versammlungsort für gläubige Drusen besuchten. Der Guide vermochte es hervorragend, die besondere Rolle der Drusen für den israelischen Staat aufzuzeigen, und die vielen Nachfragen seitens der Schüler zeigten, dass alle einen sehr guten Einblick in Gemeinsamkeiten und Unterschiede nicht nur zur israelisch-jüdischen, sondern auch zur europäischen Kultur erhalten haben.

Freitag, 3. Mai 2019

Am Vormittag nahmen wir Abschied von unseren israelischen Freunden, was allen sehr schwerfiel. Daher war es sehr gut, dass wir bei der Besichtigung der Küstenstadt Caesarea unseren Blick und unsere Gedanken über das weite Mittelmeer schweifen lassen und uns voller Dankbarkeit an die Eindrücke der vergangenen Wochen erinnern konnten. Nach dem Rückflug von Tel Aviv und der Rückfahrt erreichten wir müde, aber glücklich Bielefeld um ein Uhr morgens.

 

Vielen Dank – Schalom und auf Wiedersehen!
!תודה רבה, שלום ולהתראות

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