Der Grundkurs Deutsch der Jgst. 12 (Fabritz) besuchte die Aufführung von „Don Karlos“ (25.09.2009). Anschließend schrieben die Schülerinnen und Schüler Theaterkritiken. Einige können Sie hier lesen:

Margarete Herden

Don Karlos – Infant von Spanien

„Hallo?!“ Mit dieser Frage beginnt und endet die „Don Karlos“-Inszenierung von Christian Schlüter, die bereits in der zweiten Spielzeit im Bielefelder Stadttheater zu sehen ist.

„Hallo?!“ – Das ist auch die Frage, die sich der Zuschauer während der gesamten Aufführung stellen mag.

Schillers klassisches Fünf-Akt-Drama als eine mit Popmusik unterlegte Seifenoper, die dramatische Liebesgeschichten mit politischen Intrigen verknüpft – so interpretiert die Inszenierung das „dramatische Gedicht“ Friedrich Schillers.

Karlos, Sohn des spanischen Königs Philipp II., liebt seine Stiefmutter Elisabeth, Frau des Königs und eigentlich dem Infanten versprochen. Sein Unglück darüber wird noch verstärkt durch die schlechte Beziehung zu seinem Vater, von dem sich Karlos weder geliebt noch geschätzt fühlt.

Einzig Karlos’ Kindheitsfreund, der Marquis von Posa, gibt ihm das Gefühl der Wertschätzung. Dieser bittet den Prinzen, einen Befreiungsaufstand in Flandern zu leiten, wobei seine eigentlichen Ziele Freiheit und Menschenrechte sind. Karlos’ Liebe zur Königin soll das Erreichen dieser Ziele begünstigen, indem sie auf das Leid der Niederländer und somit auf die gesamte Menschheit übertragen wird. Doch der Plan scheitert, weil Philipp seinem Sohn den Wunsch der Truppenführung verwehrt. Hinzu kommen die Intrige der Prinzessin Eboli sowie die des Herzogs von Alba, Domingos und Graf Lermas, die die Beziehung zwischen dem König und dem Infanten sowie das gesamte Hofleben erschweren.

Es entwickelt sich ein Netz aus Intrigen, Lügen und Liebesgeschichten, immer begleitet von persönlichen Wünschen und Idealen der einzelnen Figuren.

Dem Zuschauer werden die Verstrickungen und Zusammenhänge durch den Wechsel aus Transparenz und Isolation vor Augen geführt, welcher gekonnt mithilfe eines weiträumigen Bühnenbildes sowie ausgewählter Requisiten dargestellt wird.

Aber nicht nur durch seine schauspielerische Darstellung, auch durch die tabulose Dialogänderung überzeugt die Inszenierung.

„Geben Sie Gedankenfreiheit!“ – Dieses Zitat, welches eigentlich dem Marquis von Posa zugeschrieben wird, schlängelt sich wie ein Leitmotiv durch die Aufführung.

Doch spätestens, als Prinzessin Eboli der Königin gegenüber den Satz „Ich habe deinen Mann gefickt“ äußert, wird klar: Das Stück bricht alle Tabus und erzeugt so vor allem eines: Gedankenfreiheit beim Publikum. 

Manuel Hettich

Don Karlos – Eine Inszenierung von Christian Schlüter

Das dramatische Gedicht „Don Karlos“ von Friedrich Schiller (1759 - 1805) aus der literarischen Epoche der Weimarer Klassik, erstmals veröffentlicht und uraufgeführt 1787, handelt von den Beziehungen zwischen den Personen des spanischen Hofes im Jahre 1568. Der Königsprinz Don Karlos liebt seine ehemalige Verlobte Elisabeth, welche jedoch mit seinem Vater, dem König Philipp II. verheiratet wurde. Es entstehen verschiedene Handlungsstränge und Wirrungen am Königshof rund um diese Liebe und dem Versuch der politischen Rebellion, welche sich in dem Schluss, der Übergabe des Prinzen durch den König in die Hände des Großinquisitors, verdichten. Die derzeit in Bielefeld aufgeführte Inszenierung von Christian Schlüter, wiederaufgenommen am 16.09.2009, hat dieses Drama von Schiller in vielerlei Hinsichten modernisiert.

Das Stück beginnt, der Zuschauer sieht einen schwarzen rechteckigen Block vor sich. Es gibt keine Requisiten; einzig ein Gerüst aus Stangen und schwarzen, von der Decke herunter hängenden, Vorhängen, welches sich auf einem drehbaren Untersatz befindet. Karlos (Ingo Tomi) betritt die Bühne in einem exotischen Anzug inklusive Korsett. Er spielt ein Kinderspiel, bis er abrupt stutzt und sich apathisch niedersetzt. Genau diese Unstetigkeit scheint für die gesamte Interpretation des Stückes bezeichnend zu sein.

Die Schauspieler scheinen den Text als Mittel zum Zweck zu benutzen. Oft wird er sehr schnell gesprochen, manchmal auch geschrien. Dadurch fällt es schwer, einen Bezug zur historisch vorhergehenden Epoche des „Sturm und Drangs“ zu finden. Die Charaktere wirken selten emotional, selbst der Kontakt zwischen Karlos und der Prinzessin von Eboli (Charlotte Puder) geht eher in die direkte Erotik als in die sprachliche, liebliche Umwerbung.

Auch wenn sie in einem Dialog miteinander sprechen, drehen die Schauspieler sich oft zum Publikum und scheinen Monologe in Anwesenheit eines anderen Menschen zu führen. Ihre Bewegungen, besonders die des Karlos, wirken roboterhaft, sein Rücken bildet anscheinend krampfhaft einen Buckel.

Den Gegensatz dazu bildet die grobe Gewalt, die gegen alle angewandt wird, welche sich in irgendeiner Art und Weise aus der Gunst des Königs Philipp II. (Thomas Wolff) entfernen. Es wird Kunstblut eingesetzt, wie in allen modernen Filmen mit inhaltlicher Gewalt. Allerdings kommt dies in Schillers Stück wortgetreu nur ein einziges Mal vor, bei der Ermordung von dem Marquis von Posa (Alexander Swoboda).

Dazu kommen teilweise aus dem historischen und literarischen Zusammenhang komplett zusammenhanglose Zwischenszenen und Aspekte. So fliegt der Zettel des Königs mit dem Namen des Marquis vom Himmel und auch die karge Requisite scheint aus einem beliebigen Büro entnommen worden zu sein. Die Atmosphäre eines historischen Königshofes aus dem 16. Jahrhundert wird nicht in die Inszenierung einzubeziehen versucht. Vielmehr werden Textstellen ausgelassen, welche auf den historischen Kontext hinweisen würden, wie zum Beispiel das Ereignis zwischen Karlos und dem Marquis von Posa in deren Kindheit im ersten Akt. Auch werden Verse teilweise verändert. Die Prinzessin sagt offen und sehr direkt zu der Königin Elisabeth (Christina Huckle): „Ich habe deinen Mann gefickt!“ Dies freute das Publikum, viele klatschten, allerdings ist dies offensichtlich nicht aus dem Text von Schillers Drama entnommen.

Generell wird der Charakter der Königin Elisabeth verändert. Sie scheint zu dem Marquis von Posa zutraulicher zu sein als zu Don Karlos, wodurch eines der Hauptthemen des Dramas, die Liebe von Karlos zu Elisabeth, fast komplett ausgeschnitten wird. Elisabeth reagiert nicht auf die Anbetungen des Jünglings in dem ersten Akt und auch der Schluss des Dramas, in welchem Karlos ursprünglich zum Mann reift und Elisabeth ihn bewundert, wird in einen simplen Mord umgewandelt. Gleichzeitig entsteht der Eindruck, dass ihr Engagement für die Ideen des Marquis nur aus ihrer Zuneigung zu ihm entspringen könnte.

Der Charakter des Karlos wird dabei bewusst kindisch von dem Schauspieler Ingo Tomi dargestellt. Er ist spontan, impulsiv, von Trieben gelenkt und wechselhaft. Eine Veränderung dieser Einstellungen findet nicht statt; er schreit stets, wenn er gleichsam eine emotionale Betonung anwenden könnte.

Damit schließt er sich der anscheinend bewussten Neigung zum Lächerlichen bzw. Unlogischen der Inszenierung an. Beispielsweise wird die Idee der Befreiung Flanderns symbolisch mit Federn verbunden, welche immer dann in der Luft herumfliegen, wenn die Freiheit erwähnt wird. Dagegen werden Beschreibungen des Marquis von seinen Idealen abrupt unterbrochen und auch die Prinzessin von Eboli ist sehr ironisiert dargestellt. Selbst der Herzog von Alba (Stefan Imholz) und Domingo (Thomas Wehling), der Beichtvater des Königs, welche stets ernsthaft und mit allen Mitteln darauf bedacht sind, ihr Ansehen bei dem König und damit ihre Macht zu verbessern, verlieren in einer hinzugefügten Textpassage ihre Authentizität, wenn sie sich ihre gegenseitige Liebe gestehen. Dadurch entsteht schließlich auch keine Verwunderung mehr, wenn sogar Tote wieder auferstehen.

Durch alle diese Modernisierungen des ursprünglich klassischen Stücks geht die Atmosphäre eines klassischen Dramas verloren. Mit Hilfe der Sprache der Personen ließe sich ein Feuerwerk der Rhetorik entzünden, jedoch würde dies im Gegensatz zu dem Verhalten der Schauspieler stehen, wodurch diese den Text als verbale Waffen zu benutzen zu scheinen. Es tauchen keine Gefühle auf, und wenn doch, passiert dies meist in umgestellten Konstellationen.

Diese beinahe andauernde Kälte der Charaktere bewirkt, dass es schwierig wird, sie für authentisch zu halten und somit auch die gesamte Inszenierung. Vielleicht war es die Intention des Regisseurs, diese mögliche Kälte zwischen Menschen in der heutigen Zeit zu veranschaulichen. Die andere Möglichkeit zu dieser Kälte bildet nur die innige körperliche Zuneigung, welche neben den blutigen Ermordungen stattfindet. Eine metaphysische Liebe wird vernachlässigt, wodurch die Inszenierung Neurosen von Menschen aufzuzeigen zu scheint. Die Charaktere sind nicht mehr in der Lage, echte, authentische Gefühle zu äußern, weswegen sie zur verbalen und nonverbalen Gewalt greifen. Die Liebesszenen wirken so, als ob sie zu dieser Gewalt hinzugezählt werden müssten.

Insgesamt ist dadurch diese Inszenierung natürlich einerseits eine moderne, andererseits aber auch, in einem gewissen Sinne, eine psychoanalytische. Dabei schafft sie es besser, Menschen der heutigen Zeit für das Theater zu begeistern, als dies vielleicht mit Hilfe der ursprünglichen Fassung möglich gewesen wäre. Allerdings verliert der Inhalt des Dramas dadurch stark an Bedeutung. Themen wie Ideale, Liebe und Entwicklung der inneren Einstellungen, wie im Beispiel Don Karlos, und die Isolation eines Herrschers spielen nur noch Nebenrollen.

Auch im Kino sehen Menschen diese Fokussierung auf Gewalt und Sex, weswegen der Inhalt leiden muss. Die Inszenierung von Christian Schlüter scheint sich dieser Methode anzuschließen. Damit die Beliebtheit bei den Menschen und die Unterhaltung steigt, müssen inhaltliche Themen und die Darstellung authentischer Beziehungen zwischen den Personen vernachlässigt werden. Ob man dies befürwortet oder nicht und ob sich somit ein Theaterbesuch lohnt, bleibt der Entscheidung jedes Einzelnen überlassen.

Jessica Schmehl

Don Karlos

Am Freitag, dem 25. September 2009, besuchte unser Grundkurs im Fach Deutsch der 12. Jahrgangsstufe das Stadttheater Bielefeld zur Aufführung des Dramas „Don Karlos – Infant von Spanien“ nach Friedrich Schiller.

Dem Theater gelingt mit seiner Inszenierung des 5-aktigen Dramas eine moderne und unterhaltsame Umsetzung.

Die von Intrigen, Lügen und Missverständnissen geprägte Handlung ist keine leichte Kost. Don Karlos liebt die Frau seines Vaters, zu dem er aus verschiedenen Gründen kein gutes Verhältnis hat. Karlos´ guter Freund Posa steht für seine Ideale ein und fordert vom König Gedankenfreiheit. Dies lernten wir auch schon in den vergangenen Wochen, in denen wir uns im Unterricht mit dem Drama beschäftigten. Doch dem Stadttheater gelingt es, die schwierige Sprache an passenden Stellen aufzulockern und den Inhalt durch eine überzeugende Besetzung verständlich zu vermitteln. Das eher dezente Bühnenbild hätte etwas umfangreicher gestaltet werden können, allerdings wird der Zuschauerraum als Handlungsort mit einbezogen und das Stück so spannend gestaltet. An einigen Stellen bedient sich die Inszenierung auf interessante und nachdenklich machende Weise der Gestaltungsfreiheit. So stellt zum Beispiel am Schluss Thomas Wolff sowohl seine eigene Rolle, Philipp II., als auch die des Großinquisitors dar.

Wer also eine klassische Inszenierung mit viel Bühnenbild und traditionellen Kostümen sowie einer reinen Schiller-Sprache bevorzugt, muss sich bei dieser Darstellung auf etwas ganz anderes einlassen, denn es gelingt alles in allem eine ansprechende und moderne Umsetzung, die auch – oder vor allem – junge Zuschauer in ihren Bann zieht und eine gelungene Ergänzung zu unserem Unterricht darstellt.