Niedergang einer sizilianischen Adelsfamilie

Das erste, was den Zuschauer erwartet, ist eine altmodische, aber offensichtlich bequeme Sitzgruppe, denn kurz nach Beginn des Stückes machen es sich Giuseppe Tomasi di Lampedusa (Thomas Wehling), der Autor der bekannten literarischen Vorlage „Il Gattopardo“, und seine Urgroßtante Concetta (Therese Berger) auf ihr gemütlich. Giuseppe Tomasi di Lampedusa hat besagtes Buch mitgebracht, um es mit seiner Urgroßtante den Zuschauer vorzustellen.

Die beiden verkörpern die 1950er-Jahre und denken gemeinsam zurück – zurück an die Zeit, als ihre adelige Familie noch zu der vorrangigen Gesellschaft gehörte, als Concetta noch jung war, als es die Republik Italien nur in Zukunftsgedanken gab. Sie bilden den zeitgenössischen Rahmen, während um sie herum Erinnerungen lebendig werden, die das Geschehen um das Jahr 1860 wiedergeben.

Hinter ihnen sind die äußerlich prachtvollen Mauern des Palazzos des sizilianischen Adelsgeschlechts Salina auszumachen. Er ist der damalige Sitz der Familie, ein ehemals prunkvoller Ort, welcher an bessere Zeiten erinnert. Denn der Adel ist dem Tode geweiht und wird durch das Bürgertum gerichtet.

Der Fürst von Salina (Thomas Wolff) sieht dem Niedergang seiner Familie und damit den Verlust von Reichtum und Privilegien nichts tuend entgegen. Er flüchtet sich in die Jagd und setzt völlig auf seinen, von ihm vergötterten, Neffen Tancredi (Omar El-Saeidi), welcher sich den Rebellen angeschlossen hat. Er meint, die Familienehre würde gewahrt, wenn Tancredi bei den Aufständischen Karriere macht. Doch leider war er allzu schnell von dieser Lösung überzeugt, denn in der neuen Weltordnung zählt nur das eigene Engagement und Tancredi denkt nicht daran, seinen Ruhm abzugeben.

Auch der Rest der Familie sieht die Bedrohung nicht. Sie halten an ihrer Welt fest und merken nicht, dass sie mit ihr untergehen. Tradition, sei sie noch so veraltet und verpönt, wird gewahrt und dadurch die Zukunft unlebbar gemacht. Maria Stella, die Fürstin (Carmen Priego), vertieft sich in den Glauben, Sohn Paolo (Martin Bretschneider) untersucht – die anderen nicht beachtend – Pferde, Pater Pirrone (Stefan Imholz) denkt nur an die Kirche, der Verwalter Don Ciccio (John Wesley Zielmann) eifert ergeben dem Fürsten nach und die damals junge Concetta (Nicole Lippold) ist blind, sobald es nicht um ihre Suche nach der großen Liebe geht, welche sie in Tancredi als beendet sieht.

Doch dieser will längst nichts mehr mit seiner erlöschenden Familie zu tun haben und heiratet die attraktive, aber vulgäre, Tochter des Bürgermeisters (Gunnar Kolb) Angelica (Charlotte Puder).

Letztendlich steht der Fürst vor den Trümmern seiner Familienehre, zieht die Bilanz seines Lebens und merkt: Es bleibt nicht viel. Die vermeintlich glorreiche Epoche seiner Familie ist doch nur ein Schutthaufen und Schatten ihrer selbst. Nur Concetta überdauert einsam den Niedergang ihrer Familie.

Während der Handlung werden die zeitlichen Grenzen durchbrochen, da Lampedusa Erzähler wird und die Figuren zu Erzählern umstrukturiert werden. Bei diesen Monologen tragen sie Passagen aus dem Roman vor, die sehr gut gewählt sind, um das Innenleben dieser darzustellen. Besonders besticht der Pater Pirrone, durch seine innerlich herrlich verklemmte Art.

Insgesamt ist das schauspielerische Niveau sehr hoch und lässt es zu, dass der Zuschauer sich in dem Stück verliert. Schade ist nur, dass einige unschöne Aufbrüche diese Illusion allzu schnell zerstören und mehr verwirrend, als aufschlussreich sind. Auch die Rolle des Hundes Benedico, eigentlich die Schlüsselrolle für Concetta, verkommt in der Darbietung von Thomas Wehling. Dies liegt aber nicht an dessen Leistung, sondern vielmehr an der Idee, den Hund derart darzustellen. Trotzdem greifen die Handlungen ineinander und zeigen gekonnt den Niedergang dieser Adelsfamilie.

Die Kostüme (Jürgen Höth, Brit Daldrop) sind der jeweiligen Zeit angepasst, das Bühnenbild (Jürgen Höth) im Vergleich zu dem Beschriebenen schlicht, damit nichts von den verkorksten und verdrehten Personen ablenkt.

Eigentlich sollte die Aufführung an die Unruhen in der arabischen Welt erinnern und eine Parallele bilden. Leider macht die so herrlich malerische und poetische Sprache Lampedusas dies unmöglich. Teilweise ist es schwierig, das politische Geschehen zu verstehen, wenn man bei diesem unwissend ist. Jedoch, sollte man den Schwerpunkt auf das zwischen- und innermenschliche legen, ergänzt sich das Geschehen von selbst.

Der Leopard ist eine intelligente Inszenierung. Der Roman lebt neu auf und wurde begeistert vom Publikum aufgenommen. Ein bewegendes Stück, mit viel Humor und Dramatik. Wer die unglaublichen 3 Stunden (inklusive Pause) entbehren kann, sollte sich dieses Stück nicht entgehen lassen.