Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“ im Spiegel der Gegenwart

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Für den Grundkurs Deutsch der Jgst. Q2 war abseits der Zentralabiturvorgaben eine intensive Theaterwoche geplant: Am Dienstag sollte uns Jan Hille, Schauspieler am Stadttheater Bielefeld, auf das Thema des Stücks vorbereiten, am Mittwoch wollten wir die Aufführung besuchen und am Donnerstag würde uns der Dramaturg des Schauspiels, Ralph Blase, einen Besuch im Deutschunterricht abstatten. Hier sind drei Perspektiven auf den Ertrag dieses Vorhabens:

„Einfühlung in das Stück“ – Theaterworkshop mit einem Schauspieler des Bielefelder Stadttheaters (Tamina Purtz)

Am Dienstag vor der gebuchten Theateraufführung hatten wir das Privileg, den Schauspieler und Theaterpädagogen Jan Hille bei uns zu Gast zu haben. Sein Ziel war es, über verschiedene Machteinflüsse zu reflektieren und die Relevanz des Theaterstücks „Kabale und Liebe“ für unsere heutige Zeit zu ergründen.

Jan Hille führte uns mit lockerer Leichtigkeit und auf Augenhöhe in die Handlung von „Kabale und Liebe“ sowie in die vielschichtigen Figuren ein. Dabei integrierte er den gesamten Kurs, indem er die einzelnen Figuren auf verschiedenen Treppenstufen positionierte, was das Geschehen für uns noch verständlicher machte und uns einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Machtpositionen verschaffte.

Die darauf folgenden Improvisationsübungen ermöglichten es uns, den Einfluss von Macht selbst zu erfahren – ein zentrales Thema, das auch im Theaterstück eine maßgebliche Rolle spielt. Zum Abschluss präsentierte Jan Hille uns den „Iranian Protest Song“, um uns bereits auf das Ende des Stücks aufmerksam zu machen und das Thema der Unterdrückung von Frauen und Mädchen einzuführen. Diese Erfahrung war äußerst bewegend und beschäftigte viele von uns auch noch nach dem Workshop intensiv.

Im Verlauf des Tages wurde uns klar, dass Macht auch heute noch in vielen Teilen der Welt, in zahlreichen Familien und sogar in unserem eigenen Alltag eine bedeutendere Rolle spielt, als wir zuvor angenommen hatten. Der Workshop bot uns somit nicht nur eine tiefergehende Auseinandersetzung mit einem klassischen Theaterstück, sondern auch einen neuen Blickwinkel auf ein allgegenwärtiges Thema unserer Gesellschaft.

Theaterkritik zu „Kabale und Liebe“ (Marie Dechant)

Das Stadttheater Bielefeld präsentierte kürzlich eine beeindruckende Inszenierung von Friedrich Schillers Klassiker „Kabale und Liebe“. Die zeitlose Tragödie über Liebe, Macht und Intrigen fand in der modernen Umsetzung eine gelungene Interpretation.

Die Regie unter der Leitung von Dariusch Yazdkhasti verstand es, die historische Handlung geschickt in die Gegenwart zu übertragen, ohne dabei den Kern der Geschichte zu verlieren. Die Bühnengestaltung war minimalistisch, aber wirkungsvoll, und schuf eine eindringliche Atmosphäre, die den Fokus auf die komplexen Figuren legte. Der Raum von Lady Milford beispielsweise unterstrich durch den goldenen Vorhang und die noble Liege ihren Reichtum und ihren eleganten Charakter. Zudem war mit dem schwebenden Rahmen ein vielseitig einsetzbares Bühnenelement geschaffen, das geschickt der jeweiligen Szene angepasst wurde. Besonders in der letzten Szene, in der Luise in diesem Rahmen emporgehoben wird, entfaltet er seine besondere Wirkung, indem er den Fokus besonders auf Luise und ihr tragisches Schicksal lenkt, während sie langsam in Richtung Himmel gehoben wird. Dabei erinnert er gleichzeitig an die eigentliche Liebe zwischen Luise und Ferdinand, da sie sich zu Beginn des Stücks noch zusammen und verliebt in genau diesem Rahmen drehten, wodurch die tragische Wendung ihrer Liebesgeschichte unterstrichen wird. Außerdem wurden die roten Lettern, die „Ferdinand“ auf einer weißen Leinwand buchstabierten, geschickt eingesetzt, da durch sie wiederholt der Eindruck erweckt wurde, dass Ferdinand stets hinter der Familie Luises lauerte. Die rote Farbe symbolisiert dabei sowohl eine Bedrohung als auch eine leidenschaftliche Liebe.

Zudem lieferten die Darsteller beeindruckende Leistungen ab. Die Hauptfiguren Ferdinand und Luise, verkörpert von Jan Hille und Fabienne-Deniz Hammer, überzeugten durch ihre emotionalen Darbietungen. Die Chemie zwischen den beiden Schauspielern war spürbar, und ihre Interaktionen auf der Bühne zogen das Publikum in den Bann der sich entwickelnden Liebesgeschichte.

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Darüber hinaus betonte die Inszenierung geschickt die politischen und gesellschaftlichen Dimensionen von „Kabale und Liebe“. Die Musik trug dazu bei, die Zeitlosigkeit der Thematik hervorzuheben und gleichzeitig eine Verbindung zur heutigen Welt herzustellen. Sie untermalte in den verschiedenen Szenen meisterhaft die jeweilige Stimmung und trug maßgeblich zu der besonderen Atmosphäre bei. Dabei wurden sowohl moderne Lieder wie „Everything I wanted“ gewählt als auch „Where did you sleep last night“ aus dem Jahre 1926, das vor allem durch das Cover von Nirvana 1994 bekannt wurde. Letzteres handelt zudem von Eifersucht und einer untreuen Ehefrau. Dieser Song passt daher perfekt zu der Szene, in der er eingesetzt wird, in der Ferdinand glaubt, von Luises Affäre zu erfahren, und betont seine Gefühle der Eifersucht und Rache sowie die Verletzung, die ihn die Situation erleben lässt. Der Song der letzten Szene sticht besonders heraus, bei dem es sich um einen Protestsong aus dem Iran handelt, der durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini inspiriert wurde. Mahsa Amini starb in Polizeigewahrsam, nachdem sie für das inkorrekte Tragen ihres Hijabs verhaftet worden war. Dieser Fall zeigt, dass es auch heute noch zahlreiche Femizide gibt, die oft, wie in Luises Fall, durch Partner oder Ex-Partner der Frauen verübt werden. Dadurch fügt der Song in der letzten Szene eine besondere emotionale Note zum Stück hinzu und regt zum Nachdenken an.

Die Kostüme waren nicht minder für den Erfolg des Stücks verantwortlich. Diese wurden geschickt eingesetzt, um den jeweiligen Charakter und Status der Figuren visuell darzustellen. Luises Familie trug einfache Kleidung in Schwarz und Weiß, die ihre niedrige Stellung repräsentierte. Dies wurde auch durch ihren Zopf deutlich, während Lady Milford beispielsweise ihr Haar offen trug. Lady Milford trug ein langes schwarzes Gewand mit goldenen Elementen, das sie als wohlhabende, elegante und mächtige Person kennzeichnete. Der Vizepräsident, Ferdinands Vater, ähnelte durch seinen schwarzen Anzug und die schwarzen Lederhandschuhe einem Mafioso, was seine Macht, Skrupellosigkeit und Aggressivität widerspiegelte.

Die Beleuchtung trug ebenfalls zur Intensität der Aufführung bei und verstärkte die emotionalen Momente des Stücks. Das Zusammenspiel von Licht und Schatten betonte die düsteren Aspekte der Geschichte. Außerdem trug die Verwendung verschiedener Farben als Licht dazu bei, bestimmte Stimmungen in den Szenen zu verstärken und die richtige Atmosphäre zu schaffen. Ein Element, das besonders von Schillers Fassung abwich, war die Inszenierung von Von Kalb, der für den Großteil des Stücks eher humorvoll dargestellt wurde. Diese zwischenzeitlichen komödiantischen Einlagen wirkten auf manche eventuell zwar etwas deplatziert, waren jedoch eine willkommene Unterbrechung zwischen den emotional belastenden Szenen und trugen zur Modernität des Stücks bei.

Insgesamt gelang es dem Stadttheater Bielefeld mit dieser Inszenierung von „Kabale und Liebe“, ein packendes und anspruchsvolles Theatererlebnis zu schaffen. Die zeitlose Relevanz von Schillers Werk wurde besonders durch die Musik, Kostüme und die herausragenden Darsteller gekonnt hervorgehoben. Bei diesem Theaterstück handelte es sich um eine besonders eindrucksvolle Inszenierung, die zum Nachdenken anregt und einen bleibenden Eindruck beim Publikum hinterlässt.

„Was macht eigentlich ein Dramaturg?“ (Mara Sophie Staude und Frida Ellermann)

Ihr wart bestimmt alle schon einmal in einem Theater, aber wisst ihr, wie viel Arbeit dahinter steckt, ein ganzes Stück zu planen? Welche Aktualität kann ein Theaterstück von vor 240 Jahren heute haben? Welche Sprache ist heute verständlich und zumutbar? Wie weit darf man sich von dem „Original“ entfernen? Und welche Rolle spielt ein Dramaturg eigentlich genau? Diese und noch viele weitere Fragen haben wir uns mit unserem Deutschkurs im Laufe eines Projektes gestellt. Unser Projekt befasste sich mit dem Drama „Kabale und Liebe“ und nachdem wir schon Besuch von dem Schauspieler hatten, der Ferdinand spielt, hat uns im Anschluss an das Stück der Dramaturg des Stückes, Ralph Blase, in der Schule besucht. Zu Beginn hat er uns einige spannende Fakten über seinen Beruf und wie er zu diesem Beruf gekommen ist, berichtet. Daraufhin haben wir uns tiefergehend mit dem Stück beschäftigt und hatten die Möglichkeit, eigene Fragen zu stellen. Herr Blase hat uns direkt darum gebeten, jede Frage in unserem Kopf zu stellen, da es „keine dummen Fragen“ gebe. Wir haben Fragen über das Verständnis des Stückes, über die Musikauswahl und die Kostüme gestellt. Er hat uns jede Frage beantwortet und erklärt, dass es für jedes Detail einen eigenen Beruf gebe, damit das Stück perfektioniert werde. Fast jedes Detail werde hierbei durchdacht, um z. B. den Stand und die Stimmung einer Figur für den Zuschauer deutlich zu machen. Während des Stückes lief häufig auch sehr moderne Musik, mit dem Hintergedanken, dass auch das jüngere Publikum angesprochen und abgeholt werden sollte. Da diese Einzelheiten uns sehr interessiert haben, hat Herr Blase uns auch nach dem Unterricht noch weitere Fragen beantwortet und wir haben noch lange mit ihm geredet.

Abschließend kann man sagen, dass es ein sehr spannender Besuch war und wir sehr viel gelernt haben. Es hat uns das Stück eindeutig nähergebracht und keine Frage ist offengeblieben.