Sie war eine Prinzessin und zu ihrer Zeit so etwas wie eine „Prinzessin der Herzen“: jung, schön, elegant und hochgewachsen – sicher im öffentlichen Auftreten und gleichzeitig menschlich und liebenswürdig im persönlichen Umgang. Als Cecilie, Herzogin von Mecklenburg, im Juni 1905 als Braut des Kronprinzen feierlich in Berlin empfangen wurde, säumten Tausende die Straßen und jubelten. Es war wie im Märchen: Eine bis dahin ganz unbekannte Prinzessin aus dem abgelegenen Schwerin sollte den zukünftigen Kaiser heiraten. Bei genauerem Hinsehen aber zeigte sich, dass die junge Cecilie mit fast dem ganzen europäischen Hochadel verwandt war und die Mutter (eine russische Großfürstin) sie durch ihre Erziehung bestens auf eine solche Aufgabe vorbereitet hatte.
In den Augen vieler Familien verkörperte Cecilie ein Frauenideal: Sie war gebildet, jedoch nicht zu selbständigem Denken erzogen; elegant, jedoch nicht eitel; selbstbewusst, aber immer bereit, sich in die vorgegebene Ordnung zu fügen. Und diese Ordnung bedeutete vor allem: In politischen Entscheidungen gilt die Einsicht des Mannes, die Frau hat sich der Familie zu widmen. Dabei bildete der feste Glaube an die von Gott auferlegte Pflicht und Verantwortung die Voraussetzung ihres Handelns.
Genau so wünschten sich die Bielefelder Bürger, die 1856 eine Private Töchterschule gegründet hatten, ihre Töchter. Und so lag es nahe, dass sie der „Evangelischen höheren Privatmädchenschule“ beim fünzigjährigen Jubiläum (1906 - ein Jahr nach der prunkvollen Hochzeit) den Namen „Cecilienschule“ gaben.
Das Leben der Kronprinzessin Cecilie verlief anders, als die Menschen es bei dem feierlichen Empfang erwartet hatten. Sie wurde nicht Kaiserin des Deutschen Reiches, aber sie teilte mit ihremVolk die Umbrüche und Katastrophen des Zwanzigsten Jahrhunderts und erwies sich in dieser Zeit als starke und selbständig handelnde Persönlichkeit. Während der Kaiser und der Kronprinz Wilhelm, ihr Mann, nach 1918 in Holland lebten, blieb sie mit ihren sechs Kindern in Deutschland. In den Wirren der Nachkriegszeit bemühte sie sich um Linderung sozialer Nöte und zog auch ihre Standesgenossen dazu heran. Ihre „Cecilienhilfe“ bestand bis 1944. Damit konnte die Prinzessin zwar keinen Sozialstaat ersetzen, sie knüpfte aber an die Vorstellung von der Verantwortung der Regierenden für das Wohlergehen ihrer Untertanen an und wurde dafür von vielen Menschen geliebt. Als 1940 ihr ältester Sohn im Krieg gefallen war, strömten bei der Beisetzung zahllose Menschen zusammen, um der kaiserlichen Familie ihr Mitgefühl auszudrücken. Im Schloss der Kronprinzessin, dem Cecilienhof bei Potsdam, versammelten sich geistig unabhängige Persönlichkeiten. Die kaiserliche Familie selbst beteiligte sich nicht am Widerstand, verweigerte aber dem nationalsozialistischen Regime ihre Unterstützung und wurde von der Gestapo bespitzelt.
Dass Cecilie einmal würde fliehen müssen wie Millionen anderer Deutscher, hätte 1906 niemand für möglich gehalten. Sie erreichte 1945 mit ihren Kindern Süddeutschland und erlebte noch, dass ihre jüngste Tochter „Cecilchen“ 1949 einen bürgerlichen amerikanischen Besatzungsoffizier heiratete. 1950 starb ihr dritter Sohn in Südafrika, 1951 der Kronprinz, wie er immer noch genannt wurde. Nach all diesen Schicksalsschlägen war auch die Kraft der Prinzessin Cecilie erschöpft und sie starb im Mai 1954, 68 Jahre alt, in Bad Kissingen. Auf der Burg Hohenzollern wurde sie beigesetzt.
Ihre in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg verfassten Erinnerungen schließt die Kronprinzessin Cecilie mit den Worten:
Große historische Ereignisse haben unser aller Leben derart verändert, dass ich manchmal das Gefühl habe, als gehörte meine Jugendzeit in das Reich der Einbildungen. Aber wenn auch äußerlich so vieles anders geworden ist, wenn auch der innerliche Mensch zu manchen Dingen eine andere Einstellung gewonnen hat, so glaube ich doch, dass, je älter ich werde, ich mich immer mehr den Ursprüngen meines Wesens nähere. Ich bin der Überzeugung, dass ein Mensch Zeiten der Stürme und allgemeiner Schwankungen nur überstehen kann, ohne Schaden an seiner Seele zu nehmen, wenn er sich selbst treu bleibt. Das heißt, wenn er die Wesensart, die die Grundlage seiner Lebensbahn bildet, beibehält und zur höchstmöglichen Vollendung ausbaut. Das schließt nun nicht aus, dass der Mensch sich verständnisvoll dem Guten, das jeder Wandel der Zeiten mit sich bringt, gegenüberstellen soll. Aber gewisse Grundsätze darf er nicht ableugnen, sonst gerät er selbst ins Schwanken und verliert in der Wirrnis der Meinungen und Auffassungen den inneren Halt, bis sie ihn schließlich verschlingen. Unter diesem Gesichtspunkt sehe ich die Geschehnisse meines Lebens vor mir abrollen. Das Schicksal hat wechselvolle Ereignisse über meinen Lebensweg dahinbranden lassen. Ist es mir gelungen, sie mit Gottes Hilfe so zu erleben und zu verarbeiten, dass sie nutzbringend gewesen sind? Ist das Ziel noch unverändert in Sicht? Das sind Fragen, die zu beantworten das Suchen und Streben eines ganzen Lebens sein kann. Den wenigsten unter uns ist es wohl gegeben, volle Klarheit zu erlangen, und es ist eine besondere Gnade wenn ein Mensch hier auf Erden sich dessen voll bewusst wird. ... Denn es kommt letzten Endes nur darauf an, wie wir Prüfungen und Schicksalsschläge bestehen, auf dass es nicht an unserem Lebensende heißt: gewogen und zu leicht befunden.