Malte Surmeier nahm an der Schülerakademie 2009 (24. Juli bis 2. August 2009) teil

Schülerakademie: Gruppenfoto„Malte, wenn Sie wollten, hätten Sie die einmalige Gelegenheit, zu einer Deutschen Schülerakademie zu fahren.“

Aha, cool. Zu einer was? Akademie, oha, das klang sofort nach hochbegabt, leistungsorientiert und, naja, Strebercamp. Irgendwie nicht ganz die Sommerferiengestaltung, die ich mir ausgemalt hatte, und außerdem glaubte ich, dass ich unter lauter Superbrains mit der Bezeichnung „Fremdkörper“ noch ganz gut bedient sein würde.

Völlig unwissend, aber wissend, wer garantiert mehr weiß, zog ich erst einmal eine beliebte Internetsuchmaschine zu Rate. Und siehe da: auf Google ist Verlass. Auf der offiziellen Präsenz der DSA (Deutsche Schülerakademie) erfuhr ich, dass die Schülerakademien jedes Jahr an verschiedensten Orten in und um Deutschland stattfinden und anderthalb bis zwei Wochen dauern. Es gibt Kurse zu allen denkbaren Themen, naturwissenschaftlich, sprachlich, künstlerisch, gesellschaftswissenschaftlich und so weiter und außerdem weitere, kursübergreifende Angebote. Außerdem geht es bei der Bewerbung abgesehen von den passenden Schulnoten auch um das außerschulische Engagement. Dass ausgerechnet ich zur Teilnahme vorgeschlagen wurde, freute mich spätestens jetzt. Ich entschied mich, das einmalige Angebot anzunehmen.

Angenommen war ich jedoch noch lange nicht. Zunächst wurde ein Portfolio zu mir erstellt und abgesendet. Als Bestätigung bekam ich einen Prospekt, in dem alle Akademien und die jeweiligen Kurse, insgesamt über 50, aufgeführt waren. Aus diesen konnte ich nun meine Favoriten auswählen und dann hieß es auf die Antwort warten. Die Chance einen Kursplatz zu erhalten lag bei etwa 60%.

Ein paar Wochen später kam dann der entscheidende Brief: Täterätä, ich war angenommen, worüber ich mich selbstverständlich freute, obwohl mir noch immer schleierhaft war, worauf ich mich da eingelassen hatte. Außerdem: Goch. Wo ist das denn bitte? Doch ich wäre ja nicht so weit gekommen, würde ich Wikipedia nicht kennen und selbiges verriet mir dann, dass Goch ein kleines Städtchen nahe der holländischen Grenze ist. Dort sollte ich an einem Kurs zum Thema „Deutsche Gegenwartsliteratur“ teilnehmen.

Das war Anfang Mai. Nachdem der Alltag wieder angerollt war, hatte ich die Akademie schon längst unter der Kategorie „noch ganz weit weg“ abgeheftet, als sich eine E-Mail mit unbekanntem Absender, aber dem Wort „Schülerakademie“ in der Betreffzeile in meinem Postfach einschlich. Diese blieb bei weitem nicht die einzige und mit der Zeit wurde mir klar: Da kommt richtig Arbeit auf dich zu. Nun ja, einmal trocken geschluckt und das Postfach wieder geschlossen, war ja noch Zeit… Als ich mir jedoch den Reader ansah, der kurz darauf online gestellt wurde, klappte mir die Kinnlade herunter. Mein Drucker und ich hatten einen Haufen Papier biblischen Ausmaßes vor uns. Abgesehen von dieser Zusammenstellung von Texten, die kursspezifische Inhalte enthielten, sollte ich noch ein Buch lesen und eine Vorstellung desselben vorbereiten. Auf einmal war da gar nicht mehr so viel Zeit.

Irgendwie hatte ich mich dann doch rechtzeitig durch den Zettelwust gekämpft und auch meine Präsentation stand, nachdem eine halbe Ferienwoche dafür draufgegangen war. Und siehe da: Plötzlich war es Ende Juli. Mit wenig Erwartungen, jedoch umso mehr Befürchtungen und sehr gemischten Gefühlen ging es dann auf die Autobahn Richtung Goch. Ich dachte (recht fantasievoll, wie ich mittlerweile finde) wieder an die hochbegabten Musterschüler, die über Formeln und Gedichtversen grübelnd durch die dämmrigen Gänge eines Arbeitscamps laufen. Aber ein Zurück gab es jetzt ohnehin nicht mehr. Meine Nervosität erreichte ihren Höhepunkt, als ich unsicher und vollbepackt auf dem Parkplatz des Collegium Augustinianum Gaesdonck, eines katholischen Internats, ausstieg.

Dort erwarteten mich fleißig Eltern- und Teilnehmerhände schüttelnde Kursleiter, die auf mich, Gott sei Dank, immerhin schon mal einen spaßigen Eindruck machten. Mir wurde mein Zimmer gezeigt und auf dem Weg dorthin kam mir eine ganze Traube schon vor mir eingetroffener Teilnehmer entgegen (von Klischeemusterschülern übrigens keine Spur), deren Gesichter mir verrieten, dass in ihnen ungefähr dasselbe vorging, wie in mir. In meinem Zimmer, das ich mir mit drei anderen Teilnehmern teilen durfte, bestätigte sich der aufkommende Verdacht, dass jegliche Sorge völlig unbegründet gewesen war. Mich erwarteten drei leicht nervöse, aber freundliche und überaus offene Menschen, die über die anderthalb Wochen zu Freunden werden sollten. Ich kann mich an kaum eine Situation erinnern, in der ich mit völlig Fremden so leicht ins Gespräch gekommen bin. In Letzteres klinkten sich nach und nach auch immer mehr Teilnehmer von Nachbarzimmern ein.

Schülerakademie: VolleyballNachdem damit die größten Sorgen innerhalb einer Viertelstunde völlig vergessen waren, nahm sich einer der Kursleiter (die fast alle selbst noch Studierende sind) unserer an und zeigte uns das Gelände. Mit jeder Minute steigerte sich meine Laune, denn hier gab es neben großen Sporthallen und großartiger Aula einen riesigen Fußballplatz (auf dem von Zeit zu Zeit sogar ein bulgarischer Profiklub trainierte), mehrere kleine Sportplätze und sogar ein Hallenbad. Um die Freizeitgestaltung brauchten wir uns also keine Sorgen zu machen.

Wir hatten vor dem Abendessen noch etwas Zeit und so dauerte es keine zwei Minuten und das erste Fußballmatch stand. Beschnuppern auf die Jungs-Art. So wurden bereits erste Bekanntschaften geschlossen und beim anschließenden (übrigens jeden Tag wieder hervorragenden) Essen vertieft. Schon jetzt herrschte eine angenehm lockere Atmosphäre.

Schülerakademie: KursAbends kamen wir dann das erste Mal in unseren Kursen zusammen. In Gaesdonck gab es folgende Kursangebote:
  1. Statistische Physik auf Abwegen
  2. Die Zukunft des Gehirns
  3. Einführung in die Gesprächs- und Argumentationsforschung
  4. Können Wahlen gerecht sein?
  5. Aufmerksamkeit in Theorie und Experiment
  6. Abenteurer, Fräuleinwunder, Habenichtse Die Wiederkehr des Erzählens in der deutschen Gegenwartsliteratur

Im Raum von Kurs 6 lernte ich dann meine Kurskolleginnen und -kollegen kennen und wir bekamen eine erste Übersicht über die zu behandelnden Themen.

Nach diesem eindrücklichen ersten Tag folgte eine intensive Zeit geprägt von Kursarbeit, Schlafdefizit und vor allem anderen einer großartigen Gemeinschaft. Die Arbeitsphasen nahmen täglich ca. 6 Stunden ein, doch von einer Überforderung keine Spur. Man wurde in keinster Weise unter Druck gesetzt oder gehetzt und der fehlende Notendruck kombiniert mit den nur ca. fünfzehnköpfigen Kursen schaffte eine völlig offene Arbeitsatmosphäre. Außerdem bot die Freizeit immer wieder einen tollen Ausgleich, denn außer den Kursen wurden auch „Kursübergreifende Aktivitäten“, sogenannte „KüAs“ angeboten. Von KüA-Tanzen über KüA-Poker bis KüA-Betreutes Schlafen war alles geboten.

Abendfüllend waren vor allem die sehr beliebten Werwolf- bzw. Mafia-Runden. Wer das Spiel kennt, wird sich vorstellen können, dass hier vor allem die Argumentationsforscher voll auf ihre Kosten kamen.

Schülerakademie: JazzEin weiteres Angebot war das gemeinsame Musikmachen, wofür extra eine Musikstudentin zur Verfügung stand. Nach zwei Tagen hatten wir eine Jazz-Band zusammengewürfelt, die uns Ausführenden und bei den bunten Abenden und dem Akademiekonzert den Zuhörern richtig Spaß machte.

Darüber hinaus gab es einen Akademiechor, in dem jeder mitsingen konnte und einen Kammerchor für erfahrenere Chorsänger und -sängerinnen. Außerdem fanden sich noch kleinere Gruppen von Sängern und/oder Instrumentalisten, die von einem Violinkonzert über irische Volksmusik bis hin zu einer ausgefallenen Version von „Happy Birthday“ alles auf die Bühne brachten.

So waren das große Akademiekonzert, das in Kirche und Aula stattfand, und der bunte Abend, der von Teilnehmern und Leitern gleichermaßen gestaltet wurde, Höhepunkte und Abschluss einer tollen Erfahrung, die ich so schnell nicht vergessen werde. Ich habe Bekanntschaften von Hamburg bis München und von Tokyo bis Stockholm gemacht und manche davon sind zu Freunden geworden, die ich hoffentlich wiedersehen werde.

Noch nie habe ich es erlebt, dass eine Gruppe von ca. 90 Personen auf so eine problemlose, unkomplizierte und offene Art und Weise zehn Tage verbringt. Eine Teilnehmerin meines Kurses fasste das Erlebnis Akademiegemeinschaft mit folgenden Worten treffend zusammen:

„Jedes Mal, wenn jemand etwas sagt, ist es wie ein Puzzleteil, das sich zum großen Ganzen hinzufügt. Man kommt hierher und kennt einfach niemanden. Man ist völlig unvoreingenommen, abgesehen davon, dass man weiß, dass die Leute hier nicht dumm sind...“ (Samstag, 25.07.2009)

Nach zehn Tagen Arbeit, Spaß und Kreativität kam uns die gemeinsame Zeit plötzlich viel zu kurz vor. Ich würde jedem, der die Gelegenheit bekommt, unbedingt raten, das einmalige Angebot anzunehmen und sich auf eine neue, reiche Erfahrung einzulassen.

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